"Flammend", "unbeugsam", "standfest" und "heldenhaft", "Stimme und Faust der Nation": Wann immer Arbeiterführer Ernst Thälmann in der DDR gewürdigt wird, können die Worte nicht pathetisch genug sein. Von der Jugend bei den Thälmann-Pionieren an begleitet der Mythos des kommunistischen Urgesteins jeden DDR-Bürger durch sein Leben und weht durch jede Festrede: "Ihr wisst, sein Leben war dem Kampf um die höchsten Ideale der Menschheit gewidmet", belehrt etwa Margot Honecker ihre Volksgenossen. Kritische Stimmen über den Staatsheroen wie die der Kommunistin und Publizistin Margarethe Buber-Neumann werden nicht publik: "Ich war erschüttert von dem Niveau seiner Reden. Sie schienen mir wie ein Gemisch aus primitivem Gefasel und missverstandenem marxistischen Jargon zu sein."
Der "typische Sohn des deutschen Volkes", so DDR-Präsident Wilhelm Pieck, wird am 16. April 1886 in Hamburg-Altona geboren. Als jugendlicher Transportarbeiter tritt Ernst Thälmann der SPD bei und wechselt während des Krieges zu den Kommunisten. Er erobert den Vorsitz der hamburgischen KPD und kämpft 1925 bei der Reichspräsidentenwahl als Spitzenkandidat der deutschen KP. Weil er die Unterschlagungen eines Günstlings gedeckt haben soll, wird Thälmann 1928 von der KPD entmachtet. Nach direkter Intervention Stalins kann er an die Parteispitze zurückkehren und die Säuberungsaktionen des Sowjet-Diktators gegen KPD-Abweichler und Sozialdemokraten anführen: "Die KPdSU unter Führung des Genossen Stalin zeigt uns den Weg, die rechten Opportunisten und feigen Versöhnler zu schlagen." Zwei der engsten Mitkämpfer Thälmanns reisen nach Moskau und verschwinden spurlos. 1932 tritt der KP-Chef erneut bei der Reichspräsidentenwahl gegen Hitler an und wird am 30. Januar 1933, dem ersten Tag der Nazi-Herrschaft, verhaftet.
Das Ermittlungsverfahren gegen Ernst Thälmann wird nach fast drei Jahren aus Beweismangel eingestellt. Unmittelbar danach nimmt ihn die SS in "Schutzhaft" und hält ihn sechs Jahre lang völlig isoliert in Hannover gefangen. Gesinnungsgenossen kämpfen im ganzen Reich unter Lebensgefahr für die Entlassung Thälmanns. Mehrere Befreiungsversuche werden geplant und schließlich durch Thälmanns Verlegung ins Zuchthaus Bautzen verhindert. Am 14. August 1944 unterschreibt Hitler in der Wolfsschanze das Todesurteil gegen den Kommunistenführer, der auch nach elf Jahren Haft jeden Kompromiss mit dem NS-Regime ablehnt. Drei Tage später wird Thälmann von Gestapo-Männern ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht und dort am 18. August 1944, kurz nach Mitternacht, im Krematorium von einem SS-Kommando erschossen.
Durch Zeugenaussagen eines früheren KZ-Häftlings wird einer der Tatbeteiligten nach dem Krieg als Wolfgang O. identifiziert. Von 1962 an werden sieben Ermittlungsverfahren gegen den inzwischen in Geldern als Lehrer tätigen, früheren SS-Scharführer angestrengt - und niedergeschlagen. Erst ein von Thälmanns Tochter Irma durchgefochtenes Klageerzwingungsverfahren kann 1986 das Landgericht Krefeld zur Prozesseröffnung gegen O. bewegen. Das Urteil lautet auf vier Jahre Haft wegen Mord-Beihilfe, wird aber umgehend vom dritten (politischen) Strafsenat des Bundesgerichtshofes kassiert. Im Wiederaufnahmeverfahren erkennt das Landgericht Düsseldorf dann 1988 endgültig auf Freispruch für Wolfgang O.
Stand: 18.08.09