Étienne de Silhouette ist ein sparsamer Mann. Aus diesem Grund schlägt wohl die einflussreiche Mätresse von Ludwig XV., Madame Pompadour, dem König vor, den knapp Fünfzigjährigen zu seinem Finanzminister zu machen. Denn der Siebenjährige Krieg mit Preußen hat riesige Löcher in die Staatskassen gerissen, die Kolonien in Asien und Nordamerika sind verloren. Durch das verschwenderische Leben bei Hofe droht der Bankrott. Sparen tut also dringend Not. Und der in England ausgebildete Silhouette scheint hierfür genau der geeignete Mann.
Als Finanzminister fängt der am 5. Juli 1709 in Limoges geborene Silhouette denn auch sofort damit an, durch höhere und neue Steuern das Staatssäckel zu füllen. Die Vermögenssteuer für Besserverdienende bringt ihm nicht nur Sympathien ein. Selbst Beamte müssen nun unerhörterweise ihren Obolus entrichten, ihre Pensionen werden herabgesetzt. Der städtischen Mode verordnet Silhouette Schlichtheit: "Schluss mit den voluminösen Gewändern!", lautet sein Motto. "Der Mann von heute trägt auf der Straße einen einfachen Ausgehanzug ohne Überrock." Die Parole hat, zumindest zum Teil, Erfolg: Ein sparsames Leben "à la Silhouette" ist in einigen Kreisen bald schon en vogue.Durch seine Maßnahmen schreibt der Finanzminister wenn schon nicht Politik-, so doch zumindest Modegeschichte . Noch heute benutzen Schneider den Begriff der "Silhouette", um die Figur ihrer Kundschaft einzuordnen. Noch wichtiger aber wird die Silhouette im Bereich der Kunst. Denn der französische Finanzminister verbietet auch den Erwerb teurer Gemälde bei Hofe. Stattdessen schmückt er sein eigenes Schloss mit Scherenschnitten - Produkten einer aus China importierten Technik, die die Wände kostengünstig schmückt. Zwar ist damals noch kein schwarzes Papier bekannt, sodass die weißen Scherenschnitte noch mit Tusche eingefärbt werden müssen. Trotzdem spart Silhouette so viel Geld.
Mit seinen Steuern macht sich Étienne de Silhouette nicht nur Freunde. Nur acht Monate nach seiner Amtseinführung wird er wieder abgesetzt und in die Provinz verbannt. Er stirbt 1767 in Bry-sur-Marne. Bis heute aber steht sein Name für den Schattenriss des Scherenschnitts, der im 19. Jahrhundert seine Blütezeit erlebt.
Stand: 05.07.09