Stichtag

18. August 2010 - Vor 50 Jahren: "Antibabypille" kommt in den USA auf den Markt

Eine Dinnerparty in New York Anfang des Jahres 1951 gilt als Geburtsstunde der Antibabypille. Die 70-jährige Millionärsgattin und Frauenrechtlerin Margaret Sanger hat zum Abendessen geladen. Zu den Gästen gehören auch ihre enorm reiche Freundin Katharine McCormick, 75, und der 47 Jahre alte Gynäkologe Gregory Pincus von der Harvard Medical School. Folgender Dialog soll sich zugetragen haben. Mrs. Sanger fragt Pincus: "Sind Sie in der Lage, ein biologisches Mittel zur Verhütung von Schwangerschaft herzustellen?"  Pincus antwortet, das sei wohl möglich. Sanger: "Wie viel Geld bräuchten Sie, um mit der Arbeit zu beginnen?"  Pincus antwortet: "Für den Anfang 125.000 Dollar." Katharine McCormick gibt das Geld - am Ende kostet sie die Entwicklung der Pille zwei Millionen Dollar.

Pillentest in den Slums von Haiti und Puerto Rica

Das Team um die Frauenärzte Gregory Pincus und John Rock erprobt im Tierversuch 200 Substanzen, erst dann findet sich die richtige Hormonverbindung aus Östrogen und Gestagen: Die Hormone gaukeln dem Körper eine Schwangerschaft vor, so werden Eireifung und Eisprung verhindert. Zusätzlich verdickt sich der Schleim in der Gebärmutter und behindert die Spermien. Entscheidenden Anteil an der Entwicklung hat der 27-jährige Chemiker Carl Djerassi, der die Hormonverbindung Norethisteron, ein künstliches Gestagen, erstmals herstellt. Natürliche Hormone wirken zu schwach, weil sie im Körper schnell abgebaut werden. Eine groß angelegte Studie mit Frauen in den Slums von Puerto Rico und Haiti bestätigt die Wirksamkeit des Hormonpräparats.

Trennung von Mutterschaft und Sexualität

Bereits 1957 erteilt die US-Gesundheitsbehörde die Zulassung: Unter dem Namen "Enovid" wird es als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden verkauft. Am 18. August 1960 kommt es auch als Mittel zur Empfängnisverhütung auf den Markt. In Deutschland ist die Pille unter dem Namen "Anovlar" ab 1961 erhältlich. Allerdings wird sie hier zunächst nur verheirateten Frauen mit mehreren Kindern verschrieben. Die katholische Kirche lehnt die Pille aus moralischen Gründen ab: Papst Paul VI. veröffentlicht 1968 die umstrittene Enzyklika "Humanae vitae". Darin schreibt er, dass "jeder eheliche Akt von sich aus auf die Erzeugung menschlichen Lebens hingeordnet bleiben muss". Dennoch verhütet bereits 1970 jede fünfte Frau zwischen 15 und 44 Jahren mit der Pille. Sie gilt als eine der wichtigsten Erfindungen des 20. Jahrhunderts, denn so stark wie niemals zuvor in der Menschheitsgeschichte sind Sexualität und Mutterschaft voneinander getrennt. Nach Angaben der Pharmaindustrie nehmen heute weltweit rund 80 Millionen Frauen die Pille ein, in Deutschland sind es 55 Prozent der 20- bis 44-Jährigen. Damit ist die Pille in Deutschland - trotz des fehlenden Schutzes vor HIV und Geschlechtskrankheiten - noch vor Kondomen das beliebteste Verhütungsmittel.

Stand: 18.08.10