Hannover ist keine schöne Stadt. Davon ist Wibke Bruhns überzeugt. "Am besten fährt man durch", meint die Sprecherin der Expo 2000 . Für Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg ist diese Äußerung ein Sakrileg. Kurzerhand zitiert er Bruhns ins Rathaus. Sogar verklagen will er sie. Aber eigentlich hat die Expo 2000 – und mit ihr die Stadt, in der sie stattfinden wird – ganz andere Probleme. Denn so schön oder unschön Hannover sein mag: Während der Expo 2000 ist die Stadt der Nabel der Welt. Und ausgerechnet dies bereitet allen Beteiligten Bauchschmerzen.
Keine Elefanten aus Sri Lanka
1990 erhält Hannover in Paris den Zuschlag, im Jahr 2000 die Weltausstellung auszurichten. Tatsächlich hat die Stadt ein bestechendes Konzept. Ein Themenpark soll die Expo 2000 einzigartig machen. "Planet of Visions" heißt eine der geplanten Ausstellungen, "Basic Needs" eine andere. Regisseure, Produzenten und Szenographen arbeiten jahrelang daran, ein tristes Messegelände in einen Ideenpark zu verwandeln. Weltoffen will sich Hannover präsentieren – auch wenn die ausstellenden Nationen bald schon an die Grenzen deutscher Gesetzgebung stoßen. Die Delegation aus Sri Lanka, die zu ihrem Nationentag einen Elefanten mitbringen will, scheitert an der deutschen Rüsseltierverordnung. Das Königreich Butan soll seine Tempelanlage der DIN-Norm anpassen, der Papierpavillon Japans ist nicht mit der deutschen Brandschutzverordnung in Einklang zu bringen. Und Mauretanien verzichtet wegen der Zollbestimmungen auf die Einfuhr heimischer Kamele und sattelt lieber auf Ersatztiere aus dem Schwarzwald um.
Am 1. Juni 2000 öffnet die Expo in Hannover ihre Pforten. Rund 40 Millionen zahlende Besucher braucht die Weltausstellung in den fünf Monaten ihres Bestehens, um ihre Kosten zu decken. Im ersten Monat sind es bereits 50 Prozent zu wenig. Auch als Verona Feldbusch und Peter Ustinov in einer eilig anberaumten Werbekampagne Reklame für die Weltausstellung machen, entwickelt sich die Expo 2000 nicht zum Publikumsmagneten. Überhaupt kümmert sich die Presse kaum mehr um die beeindruckende Schau. Vielmehr wird zumeist darüber spekuliert, wie hoch die Schulden am Ende sein werden.
Die Stadt macht das Licht aus
Erst gegen Ende der Expo 2000 spricht sich herum, dass es in Hannover einiges zu sehen gibt. In den letzten Wochen bilden sich vor den Kassenhäuschen lange Schlangen. Trotzdem bleibt am Ende ein Finanzloch von 1,2 Milliarden Euro. Paris bleibt von der Weltausstellung der Eiffelturm, Brüssel das Atomium – Hannover bleiben vor allem Schulden. Als der Musiker und Expo-Fan Mouse T. gleich nach Beendigung der Weltausstellung in den belgischen Peppermint Pavillon zieht, ist er auf dem Gelände nahezu allein: "Die Stadt hat sogar abends das Licht ausgemacht".
Stand: 01.06.10