"Es ist besser, Adenauer näher zu sein als dem lieben Gott", sagt Bundespräsident Theodor Heuss Ende 1950 ironisch, als er von der Viktorshöhe bei Bad Godesberg ins Bonner Regierungsviertel umzieht. Dort regiert damals Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) im Palais Schaumburg. In unmittelbarer Nähe steht die Villa Hammerschmidt über dem Rhein. Der Bau wird zum Amtssitz des Staatsoberhauptes. Die Frau des ersten Bundespräsidenten, Elly Heuss-Knapp, stattet die Villa mit Möbeln aus den Schlössern Brühl, Ludwigsburg, Würzburg und Stuttgart aus. Später wird das spätklassizistische Haus mehrmals umgebaut und restauriert. Das Obergeschoss beherbergt die Privaträume des Bundespräsidenten. Im Erdgeschoss befinden sich Repräsentationsräume.
Russische Türmchen
Gebaut wird die Villa Hammerschmidt um 1860 für den Kaufmann Albrecht Troost. Architekt ist der Bonner Universitäts-Bauinspektor August Dieckhoff, der sich an seinem preußischen Vorbild Karl Friedrich Schinkel orientiert. 1868 kauft Leopold Koenig das Anwesen. Der Zuckerfabrikant hat es im russischen St. Petersburg zu Wohlstand gebracht. Dessen Sohn Alexander baut später ganz in der Nähe das Zoologische Museum. Koenig erweitert die Villa mit einem auffälligen Portal und russisch anmutenden Türmchen. Die Bonner sprechen vom Zuckerbäcker-Stil. 1899 erwirbt der Geheime Kommerzienrat Rudolf Hammerschmidt das Gebäude. Er kommt ebenfalls aus St. Petersburg und hat sein Vermögen in der Baumwollindustrie gemacht. Hammerschmidt macht die Villa zum gesellschaftlichen Mittelpunkt Bonns. Nach seinem Tod wird das Haus verpachtet und in Wohnungen aufgeteilt.
"Nicht auf der Krim beheimatet"
Den Zweiten Weltkrieg übersteht die Villa unbeschadet. Bei Kriegsende wird sie von den Alliierten beschlagnahmt und erst 1949 freigegeben. Am 5. April 1950 kauft die Bundesrepublik den Grundbesitz für 750.000 Mark von den Erben Hammerschmidts. Heuss lässt vor dem Einzug die russisch aussehenden Türmchen entfernen: "Weil ich mich nicht auf der Krim, sondern am Rhein beheimatet fühle." Auch für die Nachfolger des ersten Bundespräsidenten ist das "Weiße Haus von Bonn" Amts- und teilweise auch Wohnsitz. Hier residieren Heinrich Lübke, Gustav Heinemann, Walter Scheel, Richard von Weizsäcker und Roman Herzog, der während seiner Amtszeit nach Berlin umzieht. Dort ist seit 1994 im Schloss Bellevue der erste Amtssitz des Bundespräsidenten. Die Villa Hammerschmidt wird dadurch zum zweiten Amtsitz degradiert. Nach wie vor werden in Bonn jedoch hochrangige Gäste empfangen.
Stand: 05.04.10