Stichtag

24. Juli 2010 - Vor 25 Jahren: Die Bundesregierung beschließt die TA Luft

Smogalarm, umkippende Flüsse, absterbende Wälder. Zu Beginn der 1980er Jahre bestimmen immer häufiger bedrohlich klingende Schlagworte die öffentliche Diskussion. Immer mehr Menschen machen für eine saubere Umwelt mobil und wählen eine neue Partei ins Parlament: die Grünen. Die schwarz-gelbe Koalition unter Bundeskanzler Helmut Kohl reagiert darauf mit dem Erlass einer Reihe von Gesetzen und Verordnungen, von denen das Bundesimmissionsschutzgesetz, die Großfeuerungsanlagen-Verordnung und die Neufassung der so genannten TA Luft den größten Einfluss haben. Diese "Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft" wird am 24. Juli 1985 vom Kabinett beschlossen und vom zuständigen Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU) als "weltweit ohne Beispiel" gepriesen.

Altanlagen müssen umgerüstet werden

Durch die Vorschriften der TA Luft sollen, so Zimmermann, die Emissionswerte etwa für Benzol um das vierfache, für Arsen um das 20-fache und für Cadmium sogar um das 100-fache gegenüber den Werten von 1974 gesenkt werden. Die Industrie reagiert mit lautstarken Protesten. Unabsehbare Investitionen würden zu wettbewerbsverzerrenden Nachteilen gegenüber der europäischen Konkurrenz führen - vor allem, weil die TA Luft nicht nur für neu zu errichtende, sondern auch für die rund 50.000 bereits bestehenden industriellen Anlagen gilt. Der Gesamtverband Steinkohlenbergbau lässt gar Expertisen erarbeiten, um zu beweisen, dass das Waldsterben, unabhängig von Schadstoffemissionen, ein seit Jahrhunderten bekanntes Phänomen sei. In zähen Verhandlungen ringen die Lobbyisten der Wirtschaftsverbände darum, die in der TA Luft vorgeschriebenen Grenzwerte und Fristen zu entschärfen.

"Stand der Technik" wird zum Maßstab

76 Änderungen muss Bundesinnenminister Zimmermann schließlich akzeptieren, doch eine zukunftsweisende Formulierung in der neuen TA Luft bleibt unverändert: Der so genannte jeweilige "Stand der Technik" gilt von nun an als Maßstab für den Betrieb aller Schadstoff ausstoßenden Anlagen. Auch eine staatliche Entschädigung für die hohen Umrüstinvestitionen lehnt die Bundesregierung grundsätzlich ab. Dass die TA Luft im Februar 1986 endlich in Kraft treten kann, bewertet rückblickend selbst der nordrhein-westfälische Forstwissenschaftler und Grünen-Mitbegründer Wilhelm Knabe als "Meilenstein der Umweltpolitik". Die Belastung der Luft mit Schwefeldioxid und Stickoxiden, mit Dioxinen und Furanen geht in der Folge erheblich zurück. 2002 werden die Grenzwerte, dem Stand der Technik entsprechend, noch einmal verschärft. Trotzdem drängen Ökologen wie Knabe auf eine weitere Nachbesserung. Denn die Klima verändernde Wirkung des Kohlendioxids CO2, hauptsächlich durch Verbrennung fossiler Treibstoffe, wird von der TA Luft überhaupt noch nicht erfasst.

Stand: 24.07.10