Schon zu seinen Lebzeiten ist Charles de Gaulle eine Legende. Als der französische General nach der Landung der Alliierten in der Normandie 1944 in Paris einzieht, wird er begeistert empfangen. Sein Image als Retter habe sich in Frankreich mit den Jahren noch verstärkt, sagt Historiker Stefan Seidendorf vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg: "Er wird mehr und mehr reduziert auf den Kriegshelden." Die Kontroversen um ihn als Politiker würden hingegen ausgeblendet.
De Gaulle, der am 22. November 1890 in Lille als Sohn eines Gymnasiallehrers geboren wird, beginnt seine Militärkarriere nach der Offiziersschule. Er kämpft im Ersten Weltkrieg bei Verdun, wo er schwer verwundet wird. Nach Kriegsende und Entlassung aus der deutschen Gefangenschaft tritt de Gaulle wieder in die französische Armee ein. Im Zweiten Weltkrieg kommandiert er eine Panzerdivision und wird im Mai 1940 zum jüngsten General Frankreichs befördert. Als jedoch der französische Marschall Henri Philippe Pétain den Nazis einen Waffenstillstand anbietet, fliegt de Gaulle im Juni 1940 nach London ins Exil. Von dort ruft er die Franzosen zum Widerstand auf. Drei Jahre später gelingt es ihm, die regional organisierten Gruppen der Résistance zusammenzuschließen. Nach der deutschen Niederlage wird er Chef der provisorischen französischen Regierung.
Größe Frankreichs als Lebensthema
Im Januar 1946 tritt de Gaulle als Ministerpräsident zurück, weil ihm die neu ausgearbeitete Verfassung der Vierten Republik missfällt: Ihm ist das Parlament zu stark, er möchte dem Präsidenten mehr Macht verleihen. De Gaulle zieht in seinen rund 250 Kilometer südöstlich von Paris gelegenen Heimatort Colombey-le-Deux-Églises zurück und arbeitet dort bis 1958 an seinen Memoiren.
Darin beschäftigt er sich immer wieder mit seinem Lebensthema: dem Kampf um die Größe Frankreichs. Er ist überzeugt, "dass Frankreich nur, wenn es den obersten Rang innehat, es selber ist." Als die Vierte Republik durch ständige Regierungswechsel und den Aufstand in der französischen Kolonie Algerien geschwächt ist, wird de Gaulle das Amt des Ministerpräsidenten angetragen. Er krempelt die Verfassung um, stärkt das Präsidentenamt - und wird selbst der erste Präsident der Fünften Republik. Er beendet den Krieg in Algerien und entlässt das Land in die Unabhängigkeit.
"Europa der Vaterländer"
Bereits im September 1958 empfängt de Gaulle Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) bei sich zu Hause in Colombey-les-Deux-Églises – als ersten und einzigen Staatsmann. Die deutsch-französische Freundschaft ist für de Gaulle die wichtigste Achse in seinem Europakonzept - natürlich mit der Bundesrepublik als Juniorpartner. Auf dieser Basis treibt de Gaulle zwar die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft voran, legt aber gegen den Beitritt Großbritanniens sein Veto ein. Ihm schwebt ein kontinentales "Europa der Vaterländer" vor - mit einer klaren französischen Vormachtrolle. De Gaulles Kampf um Frankreichs Größe zeigt sich auch in der Rivalität mit den USA, dem Aufbau einer eigenen französischen Atomstreitmacht, der "force de frappe" sowie dem Austritt des Landes aus der Nato.
1968 erschüttern die Pariser Studentenrevolte und die folgende Streikwelle de Gaulles Autorität. Mit einer Volksabstimmung versucht er im April 1969, das Blatt noch einmal zu wenden. Thematisch geht es dabei um eine Reform der französischen Regionalverwaltung. Doch de Gaulle macht deutlich, dass es tatsächlich um eine Entscheidung über seine Person geht: "Wenn ich nicht die Mehrheit von ihnen bekomme, ist es mir unmöglich, das Amt des Staatsoberhaupts auszuüben, und ich werde sofort mein Amt niederlegen", sagt de Gaulle in seiner letzten Fernsehansprache. Die Mehrheit stimmt mit Nein - und de Gaulle zieht sich endgültig nach Colombey-les-Deux-Églises zurück. Dort stirbt er am 9. November 1970.
Stand: 22.11.10