Stichtag

07. Dezember 2010 - Vor 175 Jahren: Eisenbahnlinie Nürnberg-Fürth wird eröffnet

In der Neujahrsausgabe von 1833 veröffentlicht die "Allgemeine Handelszeitung" einen "Aufruf zur Gründung einer Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth". In ganz Deutschland gebe es keinen geeigneteren Standort für den Bau einer Eisenbahn, schreibt Herausgeber Erhard Friedrich Leuchs: "Eilen wir, uns in Süddeutschland den Ruhm der ersten Eisenbahn zu sichern." Während in Großbritannien seit einigen Jahren die ersten Züge unterwegs sind, gibt es zu diesem Zeitpunkt auf dem Kontinent noch keine Eisenbahnlinien. Der Appell der Handelszeitung stößt auf Resonanz. Unternehmer aus der Region gründen eine private Aktiengesellschaft, um das Projekt zu realisieren. Der bayerische König Ludwig I. bleibt zwar einerseits auf Distanz - er zeichnet nur zwei Aktien und setzt weiterhin auf Schiffskanäle als Verkehrswege der Zukunft. Andererseits ist Ludwig aber damit einverstanden, dass die geplante Bahn seinen Namen trägt.

Von Lok und Pferden gezogen

Am 7. Dezember 1835 ist es soweit: Um neun Uhr morgens nimmt die sechs Kilometer lange Eisenbahnlinie zwischen Nürnberg und Fürth den Betrieb auf. Es ist die zweite öffentliche Strecke auf dem europäischen Kontinent, die erste hatte Belgien sieben Monate zuvor eröffnet. Die erste Lokomotive der bayerischen "Ludwigsbahn", der "Adler", stammt aus England - ebenso wie der erste Lokführer. Der "Adler" fährt die Strecke aber nur drei Mal täglich, weil deutsche Kohle noch zu teuer ist. Bei den übrigen - stündlichen - Fahrten ziehen Pferde die Eisenbahnwagen. Zwischen den Gleisen gibt es deshalb statt Schottersteinen einen gepflasterten Weg, auf dem die Pferde laufen können.

"Ludwigsbahn" löst Boom aus

Die erste deutsche Eisenbahnlinie löst einen Boom aus - nicht zuletzt, weil Eisenbahnaktien hohe Dividenden versprechen. Satte 20 Prozent zahlt die Ludwigsbahn im ersten Jahr aus. 1839 baut der Konstrukteur Johann Andreas Schubert nach englischem Vorbild die erste deutsche Lokomotive namens "Saxonia". Vier Jahre später stellt der Unternehmer August Borsig die erste in Deutschland entwickelte Dampflokomotive vor. Schnell wächst das deutsche Schienennetz: Ende des 19. Jahrhunderts umfasst es 60.000 Kilometer. Eisenbahnen brauchen Kohle und Stahl aus Kohlegruben und Stahlwerken. Die wiederum benötigen die Eisenbahn als Transportmittel für Kohle und Eisenerz. Ein sich selbst verstärkender Kreislauf der Schwerindustrie kommt so ins Rollen und zieht den Maschinen- und Werkzeugbau mit. Die Eisenbahn katapultiert Deutschland auf Platz eins unter den Industrienationen des Kontinents.

Ab 1837 "militärischen Bedürfnissen angepasst"

Auch das Militär zeigt Interesse am neuen Transportmittel: Schon zwei Jahre nach der Eröffnung der "Ludwigsbahn" fordert eine Kabinettsorder des preußischen Königs, dass die Konstruktion der Eisenbahnen "den militärischen Bedürfnissen möglichst angepasst werden soll". Zur Niederschlagung der Revolution von 1848 transportiert Preußen seine Truppen bereits per Bahn ins Badische und in die Pfalz. Die Eisenbahn kommt auch in den folgenden Kriegen zum Einsatz: 1866 gegen Österreich, 1870/71 gegen Frankreich, im Ersten und im Zweiten Weltkrieg. Auch der Massenmord an den Juden im "Dritten Reich" wäre ohne das europaweite Netz der Eisenbahn nicht möglich gewesen: Die Reichsbahn organisierte die Deportationstransporte in die Vernichtungslager im Osten.

Stand: 07.12.10