Im 19. Jahrhundert ist Sansibar der Nabel der Welt. Die rote Sultansfahne weht über dem Palast der afrikanischen Insel, arabische Händler fahren, sommerliche Monsunwinde in den Segeln, mit Elfenbein und Gewürzen nach Persien, Indien und China.
Die Gewürze sind auch in Europa beliebt: Deshalb haben die Araber riesige Plantagen angelegt. Zehntausende Sklaven aus ganz Afrika müssen sie bewirtschaften. Auf den Sklavenmärkten stehen sie nackt und eingeölt; oder sie werden in kleinen Käfigen zu Hunderten im Komplettpaket angeboten.
Ins Herz von Afrika
Der erfolgreichste Sklavenhändler ist Tippu Tip. Seinen Spitznamen erhält er angeblich, weil das Knattern der Gewehre seiner Räuberbanden in den Ohren der Bewohner afrikanischer Dörfer ähnlich klingt. Geboren wird er um 1837 als Sohn eines reichen Händlers unter dem Namen Hamed bin Muhammed bin Juma bin Rajad el Murjebi auf Sansibar. Auf der Suche nach Sklaven und Elfenbein dringt er immer tiefer westwärts bis tief ins Herz von Afrika vor. Oft sind seine Karawanen mehrere Jahre unterwegs, tausende Kilometer legen sie zu Fuß zurück, mit eigenen Schmieden für die Fesseln der Gefangenen. Bis zu 4.000 Menschen umfasst ein solcher Trupp: Wo er auftaucht, fällt er wie ein Heuschreckenschwarm über die Lebensmittelvorräte der Dorfgemeinschaften her.
Als Tippu Tip im Gebiet des Kongo ins Reich des gefürchteten Königs Nsamu eindringt, sind selbst dessen Krieger mit ihren Speeren und Pfeilen gegen die Gewehre des Sklavenhändlers machtlos. Um selbst in Ruhe gelassen zu werden, schickt der König eines Nachbarvolkes zwölf Stoßzähne. "Notwendigerweise werde ich kommen und ihn züchtigen", lautet Tippu Tips Drohbotschaft an den Häuptling: "Oder er soll noch 20 Zähne bringen außer diesen hier".
Ein Gouverneur von Königs Gnaden
1884 teilen die europäischen Kolonialmächte Afrika bei der Berliner Konferenz unter sich auf. Tippu Tips Einzugsgebiet fällt an den belgischen König. Im Ostkongo wird Tippu Tip sein Gouverneur. Als er nicht mehr gebraucht wird, zieht er sich mit Sklaven, Frauen und Konkubinen nach Stone Town auf Sansibar zurück. Hier stirbt er am 13. Juni 1905.
Stand: 13.06.10