Als Reinhard Mohn im November 1945 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft heimkehrt, will er Ingenieur werden. Stattdessen übernimmt er dann aber die völlig zerstörte Familiendruckerei Bertelsmann in Gütersloh – und führt sie mit einer genialen Idee an die Weltspitze: Die Buchgemeinschaft "Lesering", deren Mitglieder ab 1949 Bücher per Post bestellen können, stillt den Lesehunger der Nachkriegsgesellschaft. 100.000 Mitglieder zählt der Buchclub bereits ein Jahr nach seiner Gründung; 1960 sind es drei Millionen.
Von Gott zu Blut und Boden
Gegründet wird das Unternehmen als Familiendruckerei nebst angegliedertem Verlag am 1. Juli 1835 von Carl Bertelsmann. Zunächst macht es mit dem Liederbuch "Kleine Missionsharfe" sowie anderer Erbauungsliteratur Umsätze. Erst Heinrich Mohn, dessen Vater 1881 in die Familie eingeheiratet hatte, druckt, nachdem er 1921 Firmenchef geworden ist, Liebes- und später auch Kriegsromane. Zur Zeit des Nationalsozialismus beliefert der C. Bertelsmann Verlag die Wehrmacht mit teils antisemitischer Durchhalteliteratur: eine Tatsache, die das Unternehmen fast sechzig Jahre geheim halten kann.
Um nach dem 2. Weltkrieg von der britischen Militärregierung die Lizenz zum Buchdruck zu erhalten, setzt Reinhard Mohn seinen Vater, ein SS-Fördermitglied, kurzerhand ab und sich selbst an die Spitze. Mit Fleiß und Ideenreichtum baut er das Verlagshaus zum modernen Medienunternehmen internationalen Maßstabs aus: erst durch den "Lesering", für den er unter anderem Bestsellerautoren wie Uta Danella, Hans Habe oder Heinz Günther Konsalik gewinnen kann, später dann verstärkt durch den teils spektakulären Ankauf von Musikunternehmen wie Ariola (1958) oder RCA (1986). In den achtziger Jahren kommt der Privatsender RTL mit seinen weltweit über 70 Fernseh- und Radiostationen dazu, 1998 für 4,7 Milliarden D-Mark der größte amerikanische Buchverlag Random House.
Intermezzo an der Börse
Seine pietistischen Wurzeln verleugnet Mohn niemals, ebenso wenig wie seinen Wunsch nach gesellschaftlicher und politischer Einflussnahme, der sich in der Gründung der Bertelsmann-Stiftung niederschlägt. Um sich RTL leisten zu können, muss das Familienunternehmen ein Viertel seiner Aktien an die Börse bringen – und kauft sie 2006 unter Anhäufung eines riesigen Schuldenberges zurück. 2009 stirbt Reinhard Mohn mit 88 Jahren. Inzwischen ist seine Witwe Liz die starke Frau hinter den Kulissen.
Stand: 01.07.10