Stichtag

16. Oktober 2010 - Vor 50 Jahren: "Messeschlager Gisela" in Ostberlin uraufgeführt

Das Metropol-Theater in der Ostberliner Friedrichstraße hat bereits viel Theatralisches gesehen. In seinen Räumlichkeiten schlossen sich 1946 SPD und KPD zur SED zusammen. Auch das Haus der Presse hatte hier zeitweise seinen Sitz. Was liegt da näher, als auch andere dramatische Neuerungen, mit der die DDR der Bundesrepublik Konkurrenz machen kann, hier aufzuführen?

Kapitalistisches Kuckucksei

Am 16. Oktober 1960 ist es wieder einmal so weit. Auf dem Spielplan des Metropol-Theaters steht "Messeschlager Gisela", eine Operette aus dem real existierenden Sozialismus. Es geht um den volkseigenen Schneidereibetrieb VEB "Berliner Schick", dessen arroganter sächsischer Leiter, ein ehemaliger Buchhalter namens Kuckuck, dem Pariser Modeschnickschnack verfallen ist. Gemeinsam mit seiner westlich infiltrierten Sekretärin versucht er, die Haute Couture im Arbeiter- und Bauernstaat salonfähig zu machen.

Aber der Versuch, dem Sozialismus ein kapitalistisches Ei ins Nest zu legen, scheitert: Kuckucks Kleider will in der DDR keiner tragen. Hingegen entwirft die ehemalige Näherin und jetzige Modegestalterin Gisela ein Modell, das den Frauen gefällt. Auf der Leipziger Messe wird ihr Kleid zum Hit. Und als der Vorhang nach allerlei Irrungen und Wirrungen fällt, ist Gisela ein Star – und Kuckuck blamiert.

Auch nach der Wende erfolgreich

"Messeschlager Gisela" wird zum ersten großen Operettenhit der DDR. Das liegt weniger am etwas platten Plot des Satirikers Jo Schulz, sondern vor allem an der eingängigen Musik des vielfach ausgezeichneten Komponisten Gerd Natschinski, der die Uraufführung auch dirigiert. Schon früh setzt der Meistersschüler Kurt Eislers auf die musikalische Moderne, den Einsatz von E-Gitarre und Saxophon inklusive. Erst nach 74 Vorstellungen fällt im Metropol-Theater der letzte Vorhang.

Natschinskis Musik und dem nostalgischen Charme der Handlung ist es zu verdanken, dass die Sozialistenoperette auch den Fall der Mauer überlebt. Nach der Wende wird "Messeschlager Gisela" auf der Bühne mehrerer Stadttheater und in der Neuköllner Oper wieder auf den Spielplan gesetzt.

Stand: 16.10.10