Beinahe über Nacht muss Maria Theresia die Regierung von Österreich übernehmen. Ihr Vater Karl VI. hatte sie niemals in die Regierungsgeschäfte eingeführt: Am Hofe der Habsburger in Wien hoffte man lange Zeit auf einen männlichen Thronfolger. Als der Vater überraschend stirbt, besteigt die politisch völlig unerfahrene 23-jährige Maria Theresia am 20. Oktober 1740 den österreichischen Thron. Die anderen europäischen Herrscherhäuser nutzen die Schwäche Österreichs aus, allen voran Friedrich II. von Preußen. Auch er hat die Regierungsgeschäfte gerade von seinem Vater übernommen, und eine moderne Armee geerbt. Bereits im Dezember 1740 marschiert er gegen jedes Völkerrecht in Schlesien ein und annektiert es. Maria Theresia kann die Preußen nicht zurückschlagen. 1742 muss sie Schlesien ganz abtreten.
Maria Theresia muss sich Respekt verdienen
Trotz erster Rückschläge überrascht Maria Theresia ihren eigenen Hofstaat und die Herrscher der anderen europäischen Dynastien: Sie regiert ganz im Geiste der Aufklärung mit Elan, Willenskraft und der Bereitschaft, Reformen anzustoßen. Nach und nach verdient sie sich den Respekt der anderen Herrscherhäuser. Sie geht geschickt Bündnisse ein- vor allem mit Frankreich, Bayern und Sachsen - und kann so Preußen in Schach halten. 1745 wird ihr Gemahl Franz Stephan zum Kaiser gewählt und sie damit formell zur Kaiserin: ein ungeheurer Gewinn an Prestige. 1746, Maria Theresia ist nun 30 Jahre alt, schreibt Graf Otto Podewils, der preußische Gesandte am Wiener Hof, über sie: "Ihr Geist ist lebhaft, durchdringend, fähig, sich mit Regierungsgeschäften zu befassen. Sie hat ein sehr glückliches Gedächtnis und viel Urteil." Innenpolitisch verfolgt sie bedeutende Reformen. Sie strafft die Verwaltung. Adel und Kirche müssen erstmals Steuern zahlen, so kann sie das Heer verdoppeln. Neben den Regierungsgeschäften kümmert sie sich streng aber fürsorglich um die wachsende Familie: Insgesamt bringt sie 16 Kinder zur Welt, der erstgeborene Sohn Joseph II. wird später ihr Thronfolger. Die vielen Töchter verheiratet sie, die selbst aus Liebe heiraten durfte, an die Söhne verschiedener europäischer Herrscherhäuser: Die jüngste Tochter Marie-Antoinette heiratet Ludwig XVI., den späteren König von Frankreich.
Magna Mater Austriae
Auch der siebenjährigen Krieg ab 1756 kann die Vormachtstellung Österreichs im Heiligen Römischen Reich nicht schwächen. Maria Theresia entwickelt sich immer mehr zur alles bestimmenden Landesmutter, zur "Magna Mater Austriae". In Europa gilt sie neben der russischen Zarin Katharina der Großen längst als mächtigste Frau in der Politik. Über die Jahre wird sie nicht nur korpulenter, sondern auch herrschsüchtiger und strenger in ihren Moralvorstellungen. Der Ehemann berät sie ausschließlich in Finanzfragen, politisch bleibt der gutmütige Kaiser am Rand. 1765 stirbt er plötzlich an einem Schlaganfall. Der Tod des geliebten Gemahls stürzt Maria Theresia in große Verzweiflung. Sie lässt ihr Schlafzimmer mit grauer Seide auskleiden, verschenkt ihren gesamten Schmuck und legt zeitlebens die Trauerkleidung nicht mehr ab. Nach ihrem Tod findet man in ihrem Gebetbuch einen Zettel, auf dem sie ausrechnete, wie viel Zeit sie mit ihrem Ehemann verbrachte: "Jahre: 29, Monate: 354, Wochen: 1.540, Täge: 10.781, Stunden: 258.744." Maria Theresia stirbt am 1780 im Alter von 63 Jahren. Die französische Revolution und die Hinrichtung ihrer Tochter Marie-Antoinette erlebt sie nicht mehr. Nach dem Tod bringt ihr auch der große Widersacher Friedrich II. endlich Respekt entgegen: "Sie hat ihrem Thron und ihrem Geschlecht Ehre gemacht."
Stand: 20.10.10