Stichtag

2. Juli 1970 - Aus für die ZDF-Show "Der Goldene Schuß"

Das Zweite Deutsche Fernsehen steckt noch in den Kinderschuhen, da trifft die um Publikum buhlende Konkurrenz der ARD mit einer Armbrust voll ins Schwarze. Im Dezember 1964 startet das ZDF seine große Spielshow "Der Goldene Schuß" und erfindet damit gleichzeitig das interaktive Fernsehen. Mit Kommandos per Telefon können Zuschauer, während sie Fadenkreuz und Zielscheibe auf dem Bildschirm sehen, eine an die Kamera montierte Armbrust dirigieren. Treffen sie ins Ziel, dürfen die Glücklichen als Kandidaten in der nächsten Show auftreten, um dann, vielleicht ("Der Kandidat hat 100 Punkte!"), mit dem Goldenen Schuss ein Säckchen Goldmünzen als Hauptgewinn abzuräumen. Präsentiert wird die mit kleinen Spielchen und großen Gast-Stars abgerundete Show von Lou van Burg, einem quirligen holländischen Entertainer mit Johannes-Heesters-Charme, den das Publikum umgehend als "Onkel Lou" adoptiert.

"Mr. Wunnebar" und eine beschmutzte Visitenkarte

Der weitgereiste und bühnengewandte Bonvivant mit dem lustigen holländischen Akzent bringt frischen Wind und neuen Glanz in die deutsche Fernsehunterhaltung, die Hans-Joachim Kulenkampff mit "Einer wird gewinnen" in der ARD bislang allein beherrschte. Die Hälfte der Nation sitzt mit großen Augen vor den schwarz-weißen Bildschirmen, als Lou van Burg seine Show im August 1966 sogar direkt aus dem mondänen Fürstentum Monaco überträgt – unter Teilnahme von Fürstin Gracia Patricia. Beim ZDF klingelt die Kasse, denn "Der Goldene Schuß" wird als erste deutsche Game-Show in mehr als 20 Länder verkauft. Doch nach 24 Folgen mit Traumquoten ist für Lou van Burg im Juni 1976 schlagartig Sendeschluss. Weil der verheiratete "Mr. Wunnebar", wie er nach seinem Lieblingswort genannt wird, ein Verhältnis mit seiner ebenfalls verheirateten Assistentin pflegt, setzen ihm die Mainzer den Stuhl vor die Tür. "Die Visitenkarte des ZDF wurde beschmutzt", klagt Intendant Karl Holzamer, "sie muss und soll sauber bleiben."

Ins Knie geschossen

Passenderweise übernimmt mit Vico Torriani ein Schweizer die Show rund um Wilhelm Tells Schussgerät. Seine Premiere vor dem deutschen Publikum markiert zugleich den Start in eine neue Fernseh-Ära: "Der goldene Schuß" am 25. August 1967 ist die erste offiziell in Farbe präsentierte Sendung des deutschen Fernsehens. Obwohl der stets etwas steif wirkende Torriani nie die Beliebtheit von "Onkel Lou" erreicht, bleibt "Der Goldene Schuß" mit Einschaltquoten von 40 Prozent ein Publikumsgarant des ZDF – bis zur 50. Ausgabe am 2. Juli 1970. Für Torriani ebenso überraschend wie für die Zuschauer beschließt die erfolgsverwöhnte Chefetage des Senders, das telegene Armbrust-Schießen mit sofortiger Wirkung selber abzuschießen. Es wäre an der Zeit, etwas Neues zu probieren, ist als einzige Begründung aus dem Sender am Mainzer Lerchenberg zu hören. Auf einen Spielshow-Volltreffer wie "Der Goldene Schuß" muss das ZDF elf Jahre warten. 1981 startet Frank Elstner seinen Dauerbrenner "Wetten, dass?".

Stand: 02.07.10