Der Verleger ist so umstritten wie seine Zeitungen und Zeitschriften: Axel Springer ist Anti-Kommunist und ein Feindbild der 1968er-Generation. "Enteignet Springer!" heißt die linke Kampagne, die gegen Marktbeherrschung und Meinungsmache der Springer-Presse gerichtet ist. Die Proteste beginnen 1967 nach der Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg. Nach dem Attentat auf den Studentenführer Rudi Dutschke im April 1968 nehmen die Demonstrationen noch zu: Springers aggressives Boulevard-Blatt "Bild" wird von der Außerparlamentarischen Opposition (APO) für die Schüsse mitverantwortlich gemacht. Fast zum selben Zeitpunkt, im Mai 1968, bezeichnet eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission Presse-Imperien wie den Springer-Verlag als Gefährdung für die Pressefreiheit. Springer verkauft daraufhin einige Zeitschriften wie etwa "Bravo" und "Kicker". Die beim Konzern verbleibende "Bild"-Zeitung steht aber weiter in der Kritik: 1974 stellt Schriftsteller Heinrich Böll mit seiner Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" deren Methoden an den Pranger. 1977 arbeitet Journalist Günter Wallraff verdeckt bei "Bild" und schreibt ein Enthüllungsbuch über Springers Massenblatt.
"Von den Frauen verfolgt"
Ursprünglich hat Axel Cäsar Springer eine andere Karriere im Sinn: Der am 2. Mai 1912 in Altona geborene Sohn einer Verlegerfamilie will Opernsänger werden. Aber die konservativen Eltern wollen, dass er die Firma übernimmt. Nach einer Lehre im väterlichen Betrieb arbeitet er als Lokalreporter und ist ab 1937 stellvertretender Chefredakteur der "Altonaer Nachrichten". Springer-Biograf Michael Jürgs beschreibt den Hamburger als Lebemann und Liebling der Frauen: Springer fährt gerne nach Berlin, um dort die Nächte durchzufeiern. Er liebt den Sound von Bigbands, die Nazis findet er spießig. Um die Einberufung zur Wehrmacht drückt er sich mit ärztlichen Attesten. Als ihn britische Offiziere nach dem Zweiten Weltkrieg fragen, ob er ein NS-Verfolgter sei, antwortet er: "Eigentlich bin ich nur von den Frauen verfolgt worden." Springer erhält von den Briten eine Drucklizenz, damit beginnt sein Aufstieg. In Hamburg landet er 1946 seinen ersten verlegerischen Erfolg, die Zeitschrift "Hörzu". 1952 erscheint die erste "Bild"-Zeitung. "Keiner hielt etwas davon, und nach einem Jahr hatten wir eine Million Auflage", erinnert sich Springer. 1953 kauft er den Briten die Tageszeitung "Die Welt" ab, die ebenfalls bis heute zum Springer-Portfolio gehört.
Kalter Krieger mit Messias-Wahn
Ein paar Jahre später entwickelt der erfolgreiche Geschäftsmann einen religiösen Wahn. "Er hatte zu Hause bei sich einen Altar", sagt Biograf Jürgs. "Eines Tages hatte er das Gefühl, er sei Messias, und hielt die Hände hoch und zeigte seiner damaligen Frau die Wundmale." Springer glaubt auch an die Sterne. Seine Astrologin hat ihm den Januar 1958 als vermeintlich günstigsten Zeitpunkt empfohlen, um in Moskau den sowjetischen Staatschef Nikita Chruschtschow zu treffen. Springer befolgt den Rat, versucht aber vergeblich, Chruschtschow von der deutschen Einheit zu überzeugen. Als es dann gegen Ende 1958 zur zweiten Berlin-Krise kommt, wird Springer zum Kalten Krieger. Er beschließt, in West-Berlin direkt an der Sektorengrenze zur DDR eine neue Firmenzentrale zu bauen: ein weithin sichtbares Hochhaus als "Fanal der Freiheit". Berlins Regierender Bürgermeister Willy Brandt (SPD) legt 1959 den Grundstein. Zunächst fühlt sich Springer dem Sozialdemokraten politisch verbunden, besonders als dieser den Bau der Mauer 1961 kritisiert. Doch als Brandt später mit seiner neuen Ostpolitik den Ausgleich mit der Sowjetunion sucht, kommt es zum Bruch mit Springer.
DDR in Anführungszeichen
Der Verleger verpflichtet alle Redakteure seines Hauses auf vier Grundsätze: "1. Unbedingtes Eintreten für die Wiederherstellung der Deutschen Einheit. 2. Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden. 3. Ablehnung jeglicher Art von Totalitarismus. 4. Bejahung der Sozialen Marktwirtschaft." Um die Nichtanerkennung der DDR als zweiten deutschen Staat zu betonen, wird sie in den Springer-Zeitungen mit Anführungszeichen geschrieben. Sein großes Ziel, den Fall der Mauer, erlebt Springer nicht mehr. Er stirbt am 22. September 1985 in Berlin. Seine Witwe und fünfte Ehefrau, Friede Springer, wird in den Aufsichtsrat der seit 1970 bestehenden Axel-Springer-Aktiengesellschaft berufen. Später wird sie Mehrheitsaktionärin.
Stand: 22.09.10