In Köln geht der Zweite Weltkrieg im Frühjahr 1945 zu Ende: Am 6. März befreien US-Einheiten den linksrheinischen Teil der Stadt von der Nazi-Herrschaft. Zu den ersten Handlungen der Amerikaner gehört die Schließung der Universität. Vier Wochen später bestellt Konrad Adenauer, der inzwischen wieder in das Amt des Oberbürgermeisters eingesetzt wurde, den Altphilologen Josef Kroll zu sich. Der Professor war ab Ende Oktober 1944 stellvertretender Rektor gewesen, aber kein NSDAP-Mitglied. In einem Gespräch mit amerikanischen Offizieren, die eine Wiedereröffnung der Universität befürworten, erklärt Adenauer kurzerhand Kroll zum neuen Rektor und beauftragt ihn, die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Lehrbetriebs zu organisieren. Als im September 1945 die Bauarbeiten am beschädigten Hauptgebäude stocken, sagt Adenauer zu Kroll: "Wenn wir jetzt nicht eröffnen, dann steht die Existenz der Universität auf des Messers Schneide." Adenauer befürchtet, die Alliierten könnten die Anzahl der bereits eröffneten Hochschulen für ausreichend halten und Köln für immer schließen.
"Ideal des reinen Menschentums"
Doch Kroll, der bereits von 1930 bis 1931 in Köln Rektor war, kann das Vertrauen der Amerikaner und Briten gewinnen. Schließlich genehmigt die mittlerweile zuständige britische Militärregierung die Eröffnung der Hochschule, die am 26. November 1945 ihren Lehrbetrieb wieder aufnimmt. Mit 1.549 zugelassenen Studenten findet am 10. Dezember 1945 die feierliche Wiedereröffnung der Hochschule statt. Beim Festakt sagt Kroll in seiner Ansprache: "Die erneuerte Kölner Universität will sich getragen wissen vom Kulturwillen des rheinischen Volkes." Sie dürfe niemals Instrument der Parteipolitik werden, so Kroll. Die Studenten sollten zum "Ideal des reinen Menschentums" herangebildet werden: "Es ist im Griechentum konzipiert worden, hat mit seiner schöpferischen Kraft das Abendland gestaltet, auf ihm beruht die Kultur der Menschheit." Diese Gedankengänge entsprechen, so der Kölner Geschichtsprofessor Erich Meuthen, einer nach 1945 gängigen Interpretation: Die Abwendung von der antik-christlichen Tradition habe zur Barbarei des Nationalsozialismus geführt. Kritiker werten diesen "Neubeginn" später als Restauration und "Beschweigen" der NS-Vergangenheit.
1962 wird ein Ex-Nazi Rektor
In seiner Rede spricht Kroll auch von einem personellen Neubeginn: "Es war bei unserer Arbeit selbstverständlich Pflicht, einen Lehrkörper zusammenzustellen, der vom Ungeist der schmachvollen Jahre frei ist." Später gibt Kroll allerdings zu, dass auch NSDAP-Mitglieder engagiert wurden: "Die Zahl der Nicht-PGs war so klein, dass mit ihnen allein der Lehrbetrieb nicht aufzurichten war." So wird zum Beispiel 1948 Theodor Schieder als Ordinarius für Mittlere und Neuere Geschichte berufen - trotz der den Kollegen bekannten Vorgeschichte: Schieder wurde 1937 NSDAP-Mitglied und war aktives Mitglied im NS-Dozentenbund. In einer "Polendenkschrift" schlug Schieder 1939 die Deportation mehrerer hunderttausend Polen sowie die "Entjudung" Restpolens vor. Diese Verstrickungen beeinträchtigen Schieders Karriere aber keineswegs: Er wird 1962 für zwei Jahre Rektor der Universität Köln.
Stand: 10.12.10