Seit nun fast 70 Jahren bestimmt Norodom Sihanouk über weite Strecken die Geschicke Kambodschas – in stetig wechselnden Ämtern als König, Prinz, Staatschef und gegenwärtig, im hohen Alter, als Graue Eminenz. Immer wieder hat der von seinem Volk tief verehrte Sihanouk den Westen nicht nur als diplomatisch wendiger Politprofi verblüfft. Der Liebhaber schöner Frauen, schneller Autos und rassiger Pferde sorgt auch als Filmproduzent, Schriftsteller, Fechter und Musiker für Schlagzeilen. Auf dem Höhepunkt des Kriegs in Vietnam aber erlebt der "Playboy mit Talent für politische Hochseilakte" (Rheinische Post) die dunkelste Stunde seiner bewegten Karriere. Am 18. März 1970 fällt Prinz Sihanouk einem Putsch seines Ministerpräsidenten General Lon Nol zum Opfer und wird von der kambodschanischen Nationalversammlung abgesetzt.
Jahrzehntelang war es Sihanouk gelungen, seinem kleinen Königreich im großen Ost-West-Poker um die Hegemonie in Südostasien die Souveränität zu bewahren. 1941 hatte die Kolonialmacht Frankreich den gerade 18 Jahre alten Prinzen als vermeintlich leicht zu steuernde Marionette auf den Thron gesetzt – und sträflich unterschätzt. Binnen zwölf Jahren gelingt es dem diplomatischen Naturtalent, die Franzosen als Verlierer des Indochinakriegs unblutig aus seinem Land hinaus zu komplimentieren. Nach der Unabhängigkeitserklärung Kambodschas überrascht König Sihanouk 1955 die Welt mit dem Verzicht auf die Krone zu Gunsten seines Vaters, um eine aktivere Rolle in der Politik spielen zu können: "Ich wollte vom Volk gewählt werden. Ich wollte Präsident werden, nicht König". Der Prinz wandelt sich vom Monarchisten zum Linken, gewinnt mit der von ihm gegründeten sozialistischen Partei auf Anhieb 83 Prozent und amtiert fortan praktisch als Alleinherrscher.
Im Innern blüht Kambodscha unter Prinz Sihanouks Führung auf, doch außenpolitisch gerät er während der Ausweitung des Kriegs im Nachbarland Vietnam immer stärker unter Druck. Vor der Weltöffentlichkeit besteht Sihanouk auf Kambodschas Neutralität, insgeheim jedoch gewährt er den nordvietnamesischen Kommunisten Rückzugsräume. Diese "Schaukelpolitik" quittieren die Vereinigten Staaten mit unverhohlener Unterstützung von Sihanouks antikommunistischem Gegner Lon Nol. Nach vom US-Geheimdienst CIA geschürten gewalttätigen Demonstrationen in Kambodscha Anfang März 1970 nutzt der General eine Auslandsreise Sihanouks zu dessen Entmachtung und errichtet die Republik Khmer.
1975 kommt der Guerillaführer Pol Pot mit seinen Roten Khmer in Kambodscha an die Macht. Prinz Sihanouk darf aus dem Exil in Peking zurückkehren, wird erneut zum Staatsoberhaupt ernannt, aber nach kurzer Zeit wegen deutlicher Kritik an Pol Pots Steinzeit-Kommunismus wieder abgesetzt. Im Verlauf des vierjährigen Terror-Regimes der Roten Khmer, dem etwa zwei Millionen Menschen zum Opfer fallen, werden auch 14 Kinder und Enkel Sihanouks umgebracht. Als vietnamesische Truppen dem Massenmorden 1979 durch eine Invasion ein Ende bereiten, zieht sich Sihanouk während des folgenden Bürgerkriegs wieder ins Exil nach Peking zurück. Während des unter Aufsicht der Vereinten Nationen durchgeführten Friedensprozesses fällt ihm als nationaler Integrationsfigur eine wichtige Rolle zu. Als Staatsoberhaupt und König einer konstitutionellen Monarchie besteigt er 1993 zum zweiten Mal den kambodschanischen Thron. Elf Jahre später, im Oktober 2004, übergibt Sihanouk die Krone an seinen Sohn Norodom Sihamoni. Doch bis in die Gegenwart ist es der greise "König-Vater", der als Garant für die innere Stabilität Kambodschas gilt.
Stand: 18.03.10