Stichtag

11. September 2010 - Vor 155 Jahren: Schauspielerin Katharina Schratt wird geboren

Die Wiener verehren ihre Kathi, den jungen kessen Komödienstar des Burgtheaters. Obwohl keine klassische Schönheit und eher kräftig gebaut, sorgt Katharina Schratt mit ihrem fröhlich-unbekümmerten Charme für Applaus-Salven und Scharen von Autogrammjägern vor dem Bühneneingang. Schon mit 20 Jahren ist "die Schratt" eine Berühmtheit und erhält Engagements in New York und St. Petersburg. In Deutschland spielt sie gar vor dem greisen Kaiser Wilhelm I. Der Korrespondent des "Wiener Blattes" berichtet daheim: "Besonders Kaiser Wilhelm hat an Fräulein Schratt – um uns nobel auszudrücken – einen Narren gespeist." Doch in Fräulein Schratts an Gastauftritten solventer Verehrer nicht gerade armem Leben wird ein anderer Kaiser die Hauptrolle spielen.

Sisi als Kupplerin

An dieser Stelle sei jedoch zunächst gänzlich uncharmant eingestanden, dass dieser Stichtag eigentlich falsch datiert ist. Schon als Mädchen hat Katharina Schratt vorausschauend ihr lebenslang verbreitetes Geburtsjahr um zwei Jahre korrigiert - und macht sich jünger. In Wahrheit wird sie am 11. September 1853 als Tochter eines Papierwarenhändlers in Baden bei Wien geboren. Zur Hofschauspielerin avanciert, lernt sie 32 Jahre später auf einem Empfang "ihren" Kaiser Franz Joseph I. kennen. Der 55-jährige Monarch ist fasziniert – und seine Frau Elisabeth nimmt die sich bietende Chance wahr. Denn "Sisi" lebt nach 30 Ehejahren ihr eigenes Leben, am liebsten fern von Bett und Hof des Gemahls. Begünstigt durch die Unterstützung der magersüchtigen Kaiserin, sorgt Katharina Schratt von nun an hinter den Kulissen von Schloss Schönbrunn für das seelische und sexuelle Wohl des Kaisers.

Spielsüchtige Mätresse

Franz Joseph kauft seiner Geliebten umgehend eine Villa nahe Schönbrunn. Jeden Tag kommt seine Majestät pünktlich per pedes zum zweiten Frühstück. Das Paar hat viel gemeinsam, die Beiden lachen oft, denn Franz Joseph mag die geradlinige Katharina ebenso wie ihren Theatertratsch. Eine wirklich eheähnliche Beziehung entwickelt sich erst in den tragischen Wochen des Jahres 1889, als Kronprinz Rudolf auf Schloss Mayerling zuerst seine Geliebte und dann sich selbst erschießt. Sind Katharina und Franz Joseph getrennt, schreiben sie einander Brief auf Brief. Die Schattenfrau des Kaisers, von der jeder weiß, über die aber nicht gesprochen werden darf, lebt auf großem Fuß, ist spielsüchtig und ständig in Geldnöten. Doch der verliebte und altersmilde Kaiser schweigt, schenkt Katharina Häuser, überhäuft sie mit edlem Schmuck und zahlt ihre horrenden Schulden im Casino von Monte Carlo.Als Kaiser Franz Joseph 1916, mitten im Weltkrieg, stirbt, wird seine Mätresse am selben Tag vom Hof der Habsburger verbannt. Trotzdem bleibt Katharina Schratt ihrem Freund weiter treu. Obwohl ihr viel Geld geboten wird, gibt sie den Rest ihres Lebens nichts von den 30 Jahren an der Seite des Kaisers preis. Im Alter wird die Schratt schrullig. Am 17. April 1940 stirbt sie in ihrer Wiener Wohnung, umgeben von einem Privatzoo aus Papageien und Affen.

Stand: 11.09.10