Stichtag

20. Dezember 2010 - Vor 100 Jahren: Ernest Rutherford entdeckt den Atomkern

Ein Atom ist wie ein traditioneller englischer Weihnachtskuchen aufgebaut. Davon jedenfalls ist der Physiker Joseph John Thomson überzeugt. Am Cavendish Laboratorium in Cambridge verbreitet er Ende des 19. Jahrhunderts seine Theorie. Für ihn sind die negativ geladenen Elektronen im Innern des Atoms verteilt wie die Rosinen in der Masse des Plumpuddings. Die Puddingmasse – die Ionen – umschließen sie als positive Ladung. Erst sein Schüler Ernest Rutherford widerlegt diese Theorie.

Schüsse aus dem Vakuum

Geboren wird Rutherford 1871 im neuseeländischen Brightwater. Die Nachricht von seiner Aufnahme als Student ans Cavendish Laboratorium soll er bei der Kartoffelernte erhalten haben. In Cambridge wendet er sich zunächst der Untersuchung radioaktiver Strahlung zu – und erkennt, dass es Alpha-, Beta- und Gammastrahlung gibt. Rutherford weist nach, dass Alphastrahlung aus zweifach positiv geladenen Helium-Atomen besteht, die mit hoher Geschwindigkeit aus dem radioaktiven Material austreten, in der Luft aber schnell abgebremst werden.
Im Labor schießt Rutherford seine unter Vakuum zu einem Strahl gebündelten Alpha-Teilchen auf eine mit Zinksulfid beschichtete Platte, die unter dem Beschuss der unsichtbaren Teilchen fluoresziert – eine Methode, die sein Assistent Hans Geiger entwickelt hat. So kann er die Alpha-Teilchen zählen. Später hat er die Idee, eine extrem dünne Goldfolie zwischen seine Teilchen-Kanone und die Zinksulfid-Platte zu spannen.

Die Erbse im Kölner Dom

Gold besteht aus gleichwertigen Atomen. Wären diese tatsächlich wie ein Plumpudding aufgebaut, müssten die schweren, schnellen Alpha-Teilchen nahezu gradlinig und ungebremst durch die Goldfolie hindurch fliegen. Tatsächlich entsprechen die meisten Teilchen der Erwartung. Doch jedes achttausendste Teilchen kollidiert offenbar mit einem unbekannten, sehr kleinen und sehr schweren Objekt und wird auf seinem Weg abgelenkt: Rutherford hat den Atomkern entdeckt. "Ich weiß jetzt, wie ein Atom aussieht!", soll er bei einem Abendessen am 20. Dezember 1910 ausgerufen haben. Seit Rutherfords Erkenntnis fliegen die Elektronen um ein positiv geladenes Zentrum – für die Atomphysik eine Riesensensation.
Wie klein die Riesensensation – also der Atomkern – tatsächlich ist, kann Rutherford noch nicht bestimmen: Der Teilchenbeschleuniger, der hierfür nötig ist, wird erst später erfunden. Heute weiß man: Hätte das einzelne Atom die Größe des Kölner Doms, wäre sein Kern nicht größer als eine Erbse.

Stand: 20.12.10