Stichtag

08. Dezember 2010 - Vor 25 Jahren: Die "Lindenstraße" geht auf Sendung

Klausi Beimer hat die Masern. Viel lieber würde er zur Schule gehen, statt im Haus Nummer drei das Bett zu hüten. Mutter Beimer plagt indes die Sorge um ihre Tochter Marion, die mit dem Sohn der griechischen Familie Sarikakis vom Lokal "Akropolis" ein Techtelmechtel haben soll. Im Gegensatz zu Masern kann Dr. Dressler gegen Liebe auch nichts machen. "Einer solchen Infektion ist medikamentös leider nicht beizukommen", sagt er bei seinem Hausbesuch. "Die muss man schon so durchstehen."

Mord und Todschlag

Überhaupt scheint die Welt noch in Ordnung in der ersten Folge der "Lindenstraße", die unter dem Titel "Herzlich willkommen" am 8. Dezember 1985 um 18 Uhr 40 in der ARD über die Bildschirme flimmert – auch wenn die Großaufnahme mit einer völlig verdreckten und verstörten Marion am Ende für Folge zwei schon Unheil verheißt. "Hier herrscht eine Ordnung", betont auch die stetig grantelnde Hausmeisterin Else Kling. "Das sollen wir sein? Sind wir so langweilig, so säuerlich-moralisch, so einfältig und lebensmüde?", fragt denn auch die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" wegen des eher öden Alltags der Beimers, Dresslers, Zenkers, Klings und Noltes anfangs besorgt: "Und selbst, wenn wir so wären, müssen wir uns dabei auch noch zuschauen?"
Seitdem hat sich viel verändert in Deutschlands bekanntester TV-Häuserzeile, die, obwohl in München angesiedelt, in Köln-Bocklemünd gedreht wird. Der erste Schwulenkuss im Fernsehen fand hier statt; Priesterliebe ist ebenso Thema wie Abschiebung, Islamismus, Magersucht oder Vergewaltigung. Tödliche Pillen, Busunglücke und Motorradunfälle haben die kleine Welt immer wieder aus den Fugen geraten lassen, Herzinfarkte, Krebsgeschwüre und ein legendärer Bratpfannenmord.

"Ein großer Fehler!"

43 Tote hat es in 25 Jahren "Lindenstraße" gegeben, drei Morde und sieben Suizide waren darunter. Dadurch - und durch unspektakuläre Ab- und Zuzüge - hat sich auch die Bewohnerschaft der "Lindenstraße" stark gewandelt. Aus der ersten Folge sind insgesamt noch sechs Figuren dabei, darunter der damals sechsjährige Klausi Beimer (Moritz Alexander Sachs), der heute 31 Jahre ist – und Mutter Beimer (Marie-Luise Marjan), die "Mutter der Nation".
Nur eines ist beruhigend stabil geblieben, und das ist die Anzahl der Zuschauer. "Die Quote ist im Prinzip stabil", betont Produzent und "Lindenstraße"-Erfinder Hans W. Geißendörfer: "konstant um die fünf Millionen, im Sommer wie im Winter." Unter ihnen ist die "Lindenstraße" Kult. Als im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft im Juni 2010 eine Folge mit dem bezeichnenden Titel "Ein großer Fehler!" ins Nachtprogramm verbannt wird, hagelt es Proteste. Die Episode wird daraufhin am kommenden Sonntag im Vorfeld der aktuellen Folge wiederholt.
Dabei ist der Erfolg 1985 gar nicht sicher. Denn von den ARD-Anstalten ist der WDR laut Geißendörfer der einzige Sender, der das riskante Projekt auch wirklich will: "Aber er konnte es nicht finanzieren, und wir mussten überzeugen". Nicht nur die 25 heute offiziell registrierten "Lindenstraße"-Fanclubs werden ihm für diese Überzeugungsarbeit dankbar sein. Bis heute wurden immerhin schon 1.305 Folgen ausgestrahlt.

Stand: 08.12.10