Stichtag

17. Oktober 2010 - Vor 200 Jahren: Erstes Oktoberfest in München

Biergeschwängerte Herbst-Feste sind in Bayern bereits vor mehr als 200 Jahren beliebt – sozusagen als Sommerschlussverkauf der Brauereien. Das noch eingelagerte Bier muss unter die Leute, um für die neue Brausaison Platz zu schaffen. Noch ganz ohne Gerstensaft-Gelage geht dagegen der Urahn des heute weltbekannten Oktoberfestes über die Bühne. Am 12. Oktober 1810 heiratet Kronprinz Ludwig I. die Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen. Nach tagelangem öffentlichem Festschmaus, den das herrschaftliche Paar dem gemeinen Volk spendiert, findet am 17. Oktober als feierlicher Höhepunkt vor den Toren der Stadt ein Pferderennen statt. 30.000 Bayern drängen sich dazu auf der Wiese, die bald zu Ehren der Braut den Namen Theresienwiese erhält.

Jahrmarktszauber unter der Bavaria

Kronprinz Ludwig ist begeistert von der Massen-Gaudi: "Volksfeste freuen mich besonders. Sie sprechen den Nationalcharakter aus, der sich auf Kinder und Kindeskinder vererbt." So findet fortan regelmäßig mit Königs Wohlwollen eine Oktober-Gaudi statt, die 1819 offiziell zum Nationalfest erhoben wird. Das ursprüngliche Pferderennen tritt bald in den Hintergrund. 1821 berichtet ein Chronist bereits von einer "bretternen Stadt", den Vorläufern der großen Festzelte. Dazu bringen Fahrgeschäfte, Seiltänzer, Feuerspeier und Kunstreiter immer mehr Jahrmarktszauber auf die "Wiesn", wie die Münchner sowohl das Oktoberfest als auch den Austragungsort unterhalb der 1843 von Ludwig I. errichteten Bavaria-Statue nennen.Ende des 19. Jahrhunderts werden exotische "Völkerschauen" mit Menschen und Tieren aus aller Welt zur Sensation. Im Beduinenzelt begegnen die Bayern wilden Wüstensöhnen auf Kamelen, leicht bekleidete Mädchen aus Hawaii locken mit Hula-Hula-Tänzen und in der "Afrika-Welt" werden echte Schwarze mit tellergroßen Unterlippen bestaunt. Kuriositäten-Kabinette preisen gruselige Abnormitäten wie Damen ohne Unterleib, Riesen, Zwerge und – im noch heute beliebten Zaubertheater "Schichtl" – gar lustvolle Schein-Enthauptungen unter der Guillotine an.

Viel Geld für viel Schaum

Schon früh sorgen die "Ausschank-Künste" der Wirte für alljährlichen Ärger auf der Wiesn, denn oft ist in den Maßkrügen mehr Schaum als Bier. So gründet sich bereits 1889 der noch heute aktive "Verein gegen betrügerisches Einschenken". Gegen den rasanten Preisanstieg fürs Oktoberfest-Bier ist allerdings kein Kraut gewachsen. Kostet die Maß 1910 noch 35 Pfennig, ist sie im Jubiläumsjahr 2010 nicht unter 8,50 Euro zu haben.Nur 24 Mal haben die Münchener in den vergangenen 200 Jahren auf ihr Oktoberfest verzichten müssen – wegen Krieg, Pest oder Cholera. 1980 erlebtdie Wiesn ihre dunkelste Stunde: Ein Rechtsradikaler lässt am Haupteingang eine Bombe detonieren. Zwölf Festbesucher und der Täter sterben, über 200 Menschen werden verletzt. Die Massen-Gaudi geht damals trotzdem weiter. Bei einem Gesamtumsatz von rund einer Milliarde Mark hätte ein vorzeitiges Ende des Oktoberfestes den Brauereien Riesenverluste beschert.

Stand: 17.10.10