Das heutige Saarland entsteht nach dem Ersten Weltkrieg: Das Bergbaugebiet an der Saar wird von Deutschland abgetrennt und als "Saargebiet" unter internationale Verwaltung des Völkerbundes gestellt. Die ehemals preußischen und bayerischen Gebietsanteile werden dem Deutschen Reich entzogen. Die Franzosen dürfen die Saarkohle als Entschädigung für die von Deutschland angerichteten Schäden ausbeuten - 15 Jahre lang. Denn der Versailler Vertrag von 1919 sieht vor, dass die Saarländer 1935 selbst über ihre Zukunft bestimmen sollen. In einer Volksabstimmung können sie zwischen drei Möglichkeiten wählen: der Aufrechterhaltung des Status Quo als Mandatsgebiet des Völkerbundes, dem Anschluss an Frankreich oder der Rückgliederung ins Deutsche Reich.
Bis 1933 ist die Entscheidung zwischen den politischen Parteien des Saargebiets weitgehend unstrittig: Sie wollen wieder ein Teil des Deutschen Reiches werden. Doch nach der Wahl Hitlers zum Reichskanzler entfachen die Nationalsozialisten eine Propagandaschlacht um das Saargebiet. Die bürgerlichen Parteien schließen sich dort mit der NSDAP zur "Deutschen Front" zusammen, um für die Rückkehr zu kämpfen. Den Gegenpol bilden die zuvor lange zerstrittenen Sozialdemokraten und Kommunisten, die sich erst 1934 zur "Einheitsfront" zusammenraufen und für die Erhaltung des Status Quo werben.Doch die linke "Einheitsfront" hat einen schweren Stand. Die "Deutsche Front" bekommt massive Unterstützung aus dem Reich von Propagandaminister Joseph Goebbels: "Das Saarvolk will heim ins Reich und das Reich breitet seine Arme aus". Zudem geben deutsche Bischöfe das Motto aus: "Wer seinem Vaterland die Treue bricht, hält sie auch unserem Herrgott nicht."
Schriftsteller wie Arthur Koestler, Klaus Mann oder Bert Brecht unterstützen den Kampf der Linken gegen Hitler. Allerdings ohne großen Erfolg: "Es gab damals eine gewaltige, eine erdrückende Übermacht der völkischen nationalen Presse", sagt Autor Ralph Schock, der ein Buch über die antifaschistischen Schriftsteller im Abstimmungskampf an der Saar geschrieben hat. Wer sich offen als Anhänger der "Einheitsfront" zu erkennen gibt, hat mit Repressalien zu rechnen. Teilnehmer linker Kundgebungen werden fotografiert, Abonnenten linker Tageszeitungen erhalten Drohbriefe. Nichts, so scheint es, kann die Saarländer von ihrem Wunsch abbringen, wieder "heim ins Reich" zu kommen. Die ersten Konzentrationslager in Deutschland, die Bücherverbrennung von Mai 1933, die zunehmende Verfolgung von Juden, Schriftstellern und linken Politikern durch die neuen Nazi-Herrscher: All das ist im Saargebiet bekannt. Dennoch - oder möglicherweise auch deshalb - ist das Ergebnis der Volksabstimmung vom 13. Januar 1935 eindeutig: Über 90 Prozent der Abstimmungsberechtigten votieren für die Rückgliederung ins Deutsche Reich, knapp neun Prozent wollen den Status Quo erhalten, der kleine Rest stimmt für den Anschluss an Frankreich. Bis zur Rückgliederung am 1. März 1935 fliehen aus dem kleinen Land im Südwesten Deutschlands viele Befürworter des Status Quo und zahlreiche Flüchtlinge aus dem Deutschen Reich, die im Saargebiet eine erste Zuflucht gefunden haben.
Stand: 13.01.10