Während des Kalten Krieges kommt es immer wieder zu brenzligen Situationen: Bei der Berlin-Krise von 1958 will die Sowjetunion per Ultimatum die Amerikaner, Briten und Franzosen aus dem Westteil der Stadt jagen. 1961 sorgt der Bau der Mauer für Spannungen. 1962 bringt die Kuba-Krise die Welt sogar an den Rand eines Atomkrieges. Für Ost und West rücken damit Fragen von Sicherheit, Entspannung und Abrüstung in den Vordergrund. Bereits in den 1960er Jahren propagiert die Sowjetunion mehrmals eine "gesamteuropäische Sicherheitskonferenz" - mit dem Hintergedanken, damit die USA aus Europa zu vertreiben und den eigenen Einfluss auszuweiten. Der Westen nimmt den Gesprächsvorschlag auf, bleibt aber misstrauisch und besteht auf der Teilnahme der USA. Schließlich lenkt die UdSSR ein. Im November 1972 treffen sich die Botschafter der Mitglieder von Nato und Warschauer Pakt sowie der neutralen Staaten zur Vorbereitung der sogenannten Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki, der Hauptstadt des bündnisfreien Finnland.
"Nicht Zäune errichten, Tore aufmachen"
Nach monatelanger Kleinarbeit findet ein weitere Vorbereitungskonferenz statt: Im Juli 1973 treffen sich in Helsinki erstmals die Außenminister der KSZE-Staaten. Bei der Eröffnung der Sitzung mahnt der finnische Staatspräsident Urho Kekkonen: "Sicherheit heißt, nicht Zäune errichten, sondern Tore aufmachen." Doch das fällt beiden Seiten schwer. Eine zweite Konferenzetappe in Genf, bei der die Details ausgearbeitet werden, zieht sich bis Juli 1975 hin. Dann findet endlich die große Abschlusskonferenz statt: Am 1. August 1975 unterzeichnen die Regierungschefs der 35 KSZE-Teilnehmerstaaten, darunter Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), in Helsinki die Schlussakte. In diesem Dokument sind zehn Prinzipien aufgeführt, die die gegenseitigen Beziehungen bestimmen sollen. Die auch als "Dekalog" bezeichneten Prinzipien sind auf drei sogenannte Körbe verteilt. Im ersten Korb werden Fragen der Abrüstung geregelt, im zweiten die Absicht zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und im dritten die Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.
Erster Sargnagel des Kommunismus
Die Kontrahenten aus Ost und West sind mit dem Ergebnis des politischen Tauschgeschäfts zufrieden. Beide Seiten profitieren von mehr Handel. Moskau freut sich darüber, dass der Status Quo in Europa festgeschrieben wird: die Teilung Europas und die sowjetische Vorherrschaft über dessen östlichen Teil. Erich Honecker, der DDR-Staatsratsvorsitzende, wünscht sich nun "die Verwandlung Europas in einen Kontinent dauerhaften Friedens". US-Präsident Gerald Ford wiederum nennt die Schlussakte später den ersten Sargnagel des Kommunismus. Denn der Osten hat unterschrieben, die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit zu achten.Die KSZE wird keine dauerhafte Einrichtung. Ein Sekretariat erhält sie nicht. Die Schlussakte ist auch kein Vertrag, sondern eine Art Absichtserklärung. Dennoch wird sie für die Sowjetunion zum Problem: Nach 1975 entstehen in ihren Ländern sogenannte Helsinki-Gruppen, in denen Dissidenten ihren Protest gegen Menschenrechtsverletzungen mit dem unterzeichneten Dokument begründen. Nach der Wende wird die KSZE in eine Organisation umgewandelt und 1995 in OSZE umbenannt. Zu ihren neuen Aufgaben gehören politische Krisenbewältigung und Konfliktprävention, die Förderung der Demokratisierung und der Schutz der Minderheitenrechte. Sie verliert aber ihre Bedeutung. Militärisch dominiert in Europa nun die Nato, politisch die EU.
Stand: 01.08.10