Es gibt Tage, da muss Museumsdirektor Antonio Natali sich Sorgen machen. Denn zu viel Schönheit gibt es in seinen Uffizien in Florenz zu sehen. "Wir müssen sehr oft den Krankenwagen rufen", sagt Natali – und Schuld daran sind auch die Bilder des Renaissancemalers Sandro Botticelli. "Stendhal-Syndrom" heißt der Zustand seelischer Erschöpfung, der die Besucher nicht zuletzt angesichts der Anmut von Gemälden wie "Die Geburt der Venus" (1486) oder "Primavera" (1478) befällt: Laut Natali eine Folge der "übergroßen und unerwarteten Flut an allzu Schönem", die die Betrachter schwindeln macht.
Bildschön und melancholisch
Sandro Botticelli wird um 1445 als Sohn des Gerbers Nariano Filipepi in der Pfarrei Ognissanti nahe des Flusses Arno geboren. Sein ältester Bruder trägt den Spitznamen "Botticello", "Fässchen", der auf die ganze Familie überschwappt. Über Botticellis Leben ist nur wenig bekannt. Fest steht nur, dass er in der Werkstatt des berühmten Malers Filippo Lippi ausgebildet wird und mit 25 Jahren sein erstes Werk öffentlich präsentiert: In einer Bilderreihe der sieben christlichen Tugenden von Piero di Pollaiulo übernimmt er die Darstellung der personifizierten Stärke.In der Folge findet Botticelli zu seinem unverwechselbaren Stil. Im gelingen Bilder von perfekter Schönheit mit erotisch-melancholischen Frauengesichtern, die allerdings auch immer etwas ausdrucksschwach und oberflächlich wirken. Es ist die Blütezeit der Stadtrepublik Florenz, in der durch die Fürstenfamilie Medici auch Malerei und Bildhauerei eine ungeahnte Hochzeit erleben. Zu den Meisterwerken der Epoche gehört auch Botticellis Porträt der bildschönen Florentinerin Simonetta Vespucci mit ihrem kunstvoll geflochtenen Haar und der durchsichtigen Bluse, die der Maler als Prototyp für seine späteren weiblichen Gottheiten und Marienbildnisse nimmt. Rund 40 Jahre betreibt Botticelli in der Via Nuova nahe seiner Taufkirche Ognissanti eine florierende Werkstatt. Auch bei der Ausschmückung der Sixtinischen Kapelle in den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts gehört er zu den ausgewählten Künstler,
Reich noch im Alter
Lange Zeit geht die Forschung davon aus, dass Botticelli unter dem Einfluss des radikalen Predigers und Mönchs Savonarola all seine Werke verbrannt habe: In der Lebensbeschreibung des Renaissancekünstlers und Botticelli-Biografen Giorgio Vasari wird der gealterte Maler als verarmter und kranker Mann beschrieben, der auf Krücken durch die Stadt gehumpelt sei. Ein Kaufvertrag indes belegt, dass Botticelli wohl noch im Alter gut verdient. Er stirbt am 15. Mai 1510 in seiner Geburtsstadt Florenz.
Stand: 17.05.10