Die Erdbevölkerung wächst bis 2030 auf über acht Milliarden Menschen; der globale Energiebedarf wird sich in den kommenden 20 Jahren verdoppeln. Um ihn bei nahezu erschöpften Vorräten an fossilen Rohstoffen decken zu können, muss die Menschheit jede Quelle natürlich erneuerbarer Energie optimal nutzen. Neben der Erschließung von Sonnenenergie und Windkraft tüfteln Ingenieure deshalb seit Jahrzehnten weltweit an Turbinen-Systemen, die die unermessliche Kraft von Meereswellen rentabel in Strom umwandeln können.
Problematische Bändigung der Naturgewalt
Europas erstes Wellenkraftwerk geht am 13. November 1985 an einer Steilküste der norwegischen Insel Toftestallen in Betrieb. Doch nach nur drei Jahren versinkt die gesamte Pilotanlage unrettbar im Atlantik. Ein mächtiger Sturm hat sie samt Halterungen aus der Felswand gerissen. Immer wieder müssen die europäischen Wellenkraft-Pioniere herbe Rückschläge hinnehmen. Kaum ist nach langer und teurer Entwicklungsarbeit eine Versuchsanlage im Meer installiert, wird sie von den Naturgewalten demoliert. Denn so zuverlässig die Wellen anbranden, so brutal ist deren Kraft, wenn sie sich in Stürmen zu hohen Brechern auftürmen. Bei einer um den Faktor zehn höheren Welle steigt die von ihr entwickelte Energie nach den Gesetzen der Physik um das Hundertfache!
Wellen-Drachen und Seeschlangen
Auch das 1998 auf der Azoreninsel Pico in Betrieb genommene und von deutschen Ingenieuren betreute Forschungskraftwerk "Pico-Plant" ist den zerstörerischen Kräften von Wetter und Wasser nicht gewachsen. Bis 2005 produziert es so gut wie überhaupt keinen Strom. Mit einem 200 Tonnen schweren und nach dem physikalischen Prinzip der "schwingenden Wassersäule" arbeitenden Turbinen-System namens "Wave Dragon" (Wellen-Drache) gelingt 2003 in Dänemark erstmals die Einspeisung von Strom ins öffentliche Netz. Wissenschaftler der Technischen Universität München arbeiten an Turbinen-Systemen, die der Brachialgewalt großer Wellenhöhen entgehen, indem sie wie eine Seeschlange unter den Wellen durchtauchen oder sich deren Auf und Ab anpassen.
Mit Erfolg: Seit 2004 schwimmt "Pelamis" (griech. für Seeschlange) vor der schottischen Orkney-Insel, ein 150 Meter langer Prototyp dieses neuen Kraftwerk-Typs. 2013 soll vor der Küste Cornwalls die erste "Wellenfarm" mit 25 solcher Turbinen-Schlangen entstehen. Die meisten Energie-Konzerne scheuen allerdings noch vor den horrenden Investitionen in die Meereskraft zurück. So ist Strom aus einem Wellenkraftwerk derzeit etwa doppelt so teuer wie der aus einer Windkraftanlage. Dank der möglichen gewaltigen Ausbeute an umweltfreundlicher Energie rechnen Experten aber mit einer großen Zukunft der Wellenkraft.
Stand: 13.11.10