Ihr Geld verdienen die Brüder Lumière mit der Produktion von Foto-Platten. Rund 300 Fabrikarbeiter produzieren mehrere Millionen davon im Jahr. Aber die Leidenschaft der beiden gilt der Frage, wie man die starre Darstellung eines Fotos in Bewegung überführen kann. "Mein Bruder Louis und ich hatten uns gesagt, wie interessant es doch sei, einem größeren Publikum auf einer Leinwand bewegte Objekte und Personen wirklichkeitsgetreu zu zeigen", wird sich Auguste Lumière später erinnern. Eines Morgens im Jahr 1894 sei er zu seinem Bruder ins Zimmer gegangen und habe das Bett verwaist vorgefunden. "Mein Bruder hatte über Nacht den Kinematographen erfunden."
Der Mechanismus, den Louis Lumière seiner Erfindung zugrunde legt, ist nicht neu: Der Tüftler hat ihn der Nähmaschine abgeguckt. Mit einer simplen Greifzahntechnik und einer Handkurbel sind die Brüder nun in der Lage, Zelluloid-Filme mit Löchern an den Seiten in ein und demselben Apparat zu belichten, zu projizieren und zu vervielfältigen. Am 13. Februar 1895 melden sie ihren Kinematographen zum Patent an. Einen Monat später führen sie ihn zum ersten Mal bei einer Konferenz der "Ermutigungsgesellschaft für nationale Industrieentwicklung" vor. Zu sehen ist ein Film, der zeigt, wie die Arbeiter das Lumière'sche Werksgelände in Montplaisir verlassen.Die Brüder Lumière sind nicht die Erfinder des bewegten Bilds. Der Amerikaner Thomas Alpha Edison arbeitet bereits mit Zelluloidfilmen, die er in einem "Kinetoskop" genannten Guckkasten präsentiert. Und auch Edisons Nachahmer sitzen den Lumières im Nacken. Die Brüder müssen ihre Entwicklung schnell vorantreiben. Im Dezember 1895 führen sie im "Salon Indien" des Grand Café auf dem Pariser Boulevard des Capucines vor 33 zunehmend begeisterten Schaulustigen erstmals öffentlich ihre Filme vor. Bereits einige Tage später bilden sich Schlangen von Interessenten, die unter anderem sehen wollen, wie ein Zug aus der Leinwand auf sie zurast. Die erste Vorführung bringt den Lumières gerade einmal 35 Francs. Einige Wochen später verdienen sie schon 2.000 Francs am Tag.
Trotz zahlreicher Interessenten verkaufen die Brüder Lumière das Patent an ihrem Kinematographen zunächst nicht. Stattdessen schicken sie rund 100 eigens ausgebildete Vorführer als "Operateure" in die Welt. Sie nehmen unbelichtete Filmrollen mit auf die Reise und zeigen den Zuschauern abends jene Filme, die sie zuvor vor Ort aufgenommen haben. So wird die Kinematographie in London, Wien, Tokio, Bombay oder Kairo eine beliebte Jahrmarktsattraktion. Nur in den USA bekommen die Brüder Lumière Probleme. Edison beauftragt ein ganzes Heer von Anwälten damit, einen gnadenlosen Patentkrieg anzuzetteln. 1905 strecken die Lumières die Waffen und verkaufen ihr Patent an Charles Pathé, der daraufhin im Filmgeschäft ein Vermögen macht.
Stand: 13.02.10