Als erster iranischer Monarch kommt Naser ad-Din Schah 1873 zu einem Staatsbesuch nach Berlin. Seine Eindrücke notiert der persische Schahanschah, der König der Könige, in seinem Tagebuch. Er blickt von außen auf das noch junge deutsche Kaiserreich Wilhelms I.: "Sogar der Kaiser hat sein festes Programm", notiert Naser ad-Din Schah am 2. Juni. "Er arbeitet bereits morgens und dann noch bis spät in die Nacht hinein. Wir Könige des Orients sind unseren Vorfahren dankbar, dass sie uns nicht als derartige Arbeitstiere in die Welt gesetzt haben. Allah hat seinen Propheten, und ich habe meine Minister." Naser ad-Din Schah regiert Iran von 1848 bis 1896 als bekanntester Herrscher der Dynastie der Kadscharen.
Jagdausflüge mit dem Harem
Die Herrschaft der Kadscharen über Iran beginnt 1779 mit dem Sturz des letzten Prinzen aus der kurdischen Dynastie der Zand. "Die Kadscharen sind ein türkischer Clan", sagt Florian Schwarz, Direktor des Wiener Instituts für Iranistik an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. "Sie waren seit dem 18. Jahrhundert vor allem im Norden Irans angesiedelt, als Grenzschutztruppen." Nach ihrer Machtübernahme machen sie Teheran zu ihrer dauerhaften Residenz. Die Kadscharen herrschen mit gewaltigem Prunk. Naser ad-Din Schah unternimmt ausgedehnte Jagdausflüge - mit riesigem Gefolge inklusive Harem. Auch mehrere Kriege gegen Russland kosten enorme Summen.Um ihren Finanzbedarf zu decken, pressen die Kadscharen die Bevölkerung mit hohen Steuern aus. Doch das reicht bald nicht mehr. Der Schah muss neue Einnahmequellen suchen. "Bereits 1872 verkaufte Naser ad-Din Schah das Recht, Eisenbahnen zu bauen, und das Monopol auf Bergwerke", sagt Schwarz. Der europäische Einfluss wird immer stärker. Großbritannien und Russland nutzen die Schwäche des kadscharischen Staates besonders aus. Die ausufernde Vergabe von Konzessionen an ausländische Inverstoren bringt den Schah in Bedrängnis.
Der persische Kosake Reza Khan putscht
Als der Schah 1890 auch die Tabak-Konzession verkauft und dadurch die Preise für Tabakwaren steigen, kommt es im Iran zu einer Revolte. Der Schah sieht sich gezwungen, die Vergabe des Tabakmonopols zurückziehen. Seine Machtposition wird weiter geschwächt, als 1905 die sogenannte Konstitutionelle Revolution in Iran beginnt. Getragen von einer breiten Bewegung von Händlern, Handwerkern, Aristokraten und schiitischen Geistlichen setzen sich die Ideen eines politischen Liberalismus langsam durch: Wahlen, Parlament, Verfassung.Nach dem Ersten Weltkrieg versuchen die Briten in Iran zunächst ein Protektorat einzurichten, dann zumindest eine gut kontrollierbare Regierung zu etablieren - vergeblich. Das Ende der Kadscharen führen die Briten mit Hilfe einer Truppe herbei, die auf Naser ad-Din Schahs Wunsch von den Russen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgebildet wurde: den persischen Kosaken. 1921 führt der Kosaken-Offizier Reza Khan einen Militärputsch an und macht sich zum Premierminister. Zwei Jahre später geht der letzte Kadschare, Ahmad Schah, ins Exil nach Paris. Seine Absetzung durch das iranische Parlament am 31. Oktober 1925 ist nur noch ein formeller Akt. Reza Khan errichtet anschließend als Mirza Reza Pahlevi ("Führer im Kampf") eine neue Monarchie - unterstützt vom schiitischen Klerus, der eine säkulare Republik verhindern will. Viele Kadscharen können ihr Posten behalten. Heute sind sie eine riesige, über die Welt verstreute Familie. Ansprüche auf den seit der islamischen Revolution in Iran verwaisten Thron erheben sie aber nicht mehr.
Stand: 31.10.10