Stichtag

10. Oktober 2010 - Vor 200 Jahren: Eröffnung der Humboldt-Universität in Berlin

29 Nobelpreisträger hat die Humboldt-Universität in Berlin hervorgebracht, darunter Albert Einstein, Werner Heisenberg und Max Planck. Berühmte Philosophen und Wissenschaftler wie Friedrich Schleiermacher, Johann Fichte, Rudolf Virchow und Robert Koch unterrichteten in dem barocken Gebäude Unter den Linden. Am 10. Oktober 1810 wird die Humboldt-Universität ohne große Feierlichkeiten eröffnet. Anfangs heißt sie Berliner Universität, ganze 256 Studenten besuchen sie. Zwei Jahrhunderte später sind 35.000 Studenten eingeschrieben - und das Humboldtsche Bildungsideal von allgemeiner Menschenbildung statt zweckgebundener Berufsbildung gilt bis heute an den meisten deutschen Gymnasien und Universitäten.

Humboldt wünscht sich eine zweckfreie Bildung

Gegründet wurde die Berliner Universität in einer Umbruchsituation. 1806 hatte Preußen die Schlacht gegen Frankreich verloren, Napoleon besetzte Berlin, der deutsche König Friedrich Wilhelm III. war ins Exil nach Königsberg geflohen. Der preußische Staat ordnet sich neu, und auch die Gründung einer Universität in Berlin steht auf der Agenda. "Das ist recht, das ist brav, der Staat muss durch geistige Kräfte ersetzen, was er an physischen verloren hat", erklärt der König aus der Ferne. Wilhelm von Humboldt, seit 1809 Leiter der Sektion für Kultur und Unterricht im Preußischen Innenministerium, setzt die Gründung der Universität um. Der Humanist und Gelehrte mit den Spezialgebieten Griechisch und Latein hat eine Vision für die neue Universität: zweckfreie Menschenbildung, also Bildung, die nicht direkt auf einen zukünftigen Beruf zugeschnitten ist, sondern den ganzen Menschen formt. "Bildung ist die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen." Damals sind die wenigen Universitäten Kaderschmieden, die zukünftige Staatsdiener ausbilden, aber keine unabhängigen Forschungsstätten. Forschung wird vor allem an den Akademien der Wissenschaften betrieben.

Studium ohne Einmischung des Staates

Wilhelm von Humboldt will Forschung und Lehre wieder zusammenbringen. Er erinnert sich an eine enttäuschende Vorlesung: "Der Vortrag des Professors missfiel mir gänzlich. Ein singender, ganz aufs Nachschreiben eingerichteter Ton, Zitate ohne Aufhören, eitel und affektiert. Die Studenten sprachen sehr laut, lachten und warfen sich Zettel zu. Auch war ein großer Hund im Kollegium, der sich nach Belieben wälzte, kratzte und Töne aller Art von sich gab." Humboldt stellt sich in seinem Konzept vor, dass Professoren und Studenten frei miteinander diskutieren können – ohne nach dem direkten Nutzen zu fragen und ohne die Einmischung des Staates.

Universität für Natur- und Geisteswissenschaften

Obwohl der preußische König den Plänen zustimmt, werden Humboldts Vorstellungen freilich nie komplett umgesetzt. Zu Zeiten der Karlsbader Beschlüsse, die die Presse- und Meinungsfreiheit einschränken, sitzen ab 1819 Polizeispitzel in den Vorlesungen und schreiben mit, was Professoren wie Friedrich Schleiermacher an Staat und König kritisieren. Dennoch ist in Berlin erstmals eine umfassende Bildung möglich. "An Trinkgelage, Duelle und Ausfahrten ist in Berlin nicht zu denken. Hier herrscht so ein Drang nach Höherem, so ein Streben nach Wissenschaft", sagt Ludwig Feuerbach 1824, damals noch Student, später berühmter Philosoph. Zu DDR-Zeiten erhält die Universität den Namen, den sie noch heute trägt: Humboldt-Universität. Gemeint sind damit sowohl der Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt als auch sein Bruder, der Naturforscher Alexander: Die Universität sieht sich den Natur- und den Geisteswissenschaften gleichermaßen verpflichtet.

Stand: 10.10.10