In den 1920er Jahren gilt der Pariser Platz an der Nordseite des Brandenburger Tores als Wohnzimmer Berlins. Hier im Zentrum der deutschen Hauptstadt steht nicht nur das Hotel Adlon, wo sich die internationale Prominenz trifft. Auch die Prachtstraße "Unter den Linden" beginnt an dieser Stelle. Auf dem vielbesuchten Boulevard sind auch Autos unterwegs. Eine S-Bahn-Haltestelle existiert noch nicht. Die ersten Berliner S-Bahn-Abschnitte werden damals gerade gebaut. Erst in der Nazi-Zeit wird unter anderem ein Nord-Süd-Tunnel gebaut, um die Vororte Berlins direkt mit dem Zentrum zu verbinden. Der S-Bahnhof "Unter den Linden" wird 1936 eröffnet - noch rechtzeitig zu den elften Olympischen Spielen. Architekt des Bahnhofgebäudes ist Oberbaurat und NSDAP-Mitglied Richard Brademann. Er hat zahlreiche Bauten für die S-Bahn entworfen, die noch immer genutzt werden. So sind bis heute grüne Keramikplatten das Kennzeichen des S-Bahnhofs "Unter den Linden". Sie sollen das Grün der Linden symbolisieren, die dem Bahnhof seinen Namen gegeben haben.
Geisterbahnhof nach dem Mauerbau
Im April 1945 wird der Berliner S-Bahnverkehr zunächst eingestellt. Die Kriegsschäden machen den Fahrbetrieb unmöglich. Zwei Jahre später wird der Bahnhof "Unter den Linden" wiedereröffnet. Genutzt wird er - von Unterbrechungen durch Sanierungsarbeiten abgesehen - bis zum 13. August 1961, dem Tag des Mauerbaus. Das S-Bahn-Netz wird daraufhin zwischen Ost- und West-Berlin in zwei Hälften getrennt. Von diesem Zeitpunkt an fahren die Bahnen durch den Nord-Süd-Tunnel, ohne am Bahnhof "Unter den Linden" zu halten. Der Grund: Auf ihrem Weg fahren die Wagen aus dem Westen auch unter Ost-Territorium durch. Deshalb werden die Zugänge verschlossen, später erinnert nichts mehr an sie. Nur die Geräusche der Züge hallen manchmal nach oben. Der S-Bahnhof wird zu einem Geisterbahnhof, einer von vielen im geteilten Berlin.
Alte Bezeichnung für neue Haltestelle
Nach dem Fall der Mauer im Oktober 1989 kommt es in Berlin reihenweise zu Neueröffnungen von alten Straßenverbindungen und U-Bahn- sowie S-Bahn-Bahnhöfen. Am 1. September 1990 wird die Station "Unter den Linden" am Brandenburger Tor wiedereröffnet - nun zum dritten Mal: "Heute können die Berliner sie wieder in Besitz nehmen", sagt Walter Momper, Regierender Bürgermeister von Berlin. Die S-Bahnstation sei mit viel Aufwand wieder herstgestellt worden und mache nun eine der bekanntesten Straßen Berlins auf für die S-Bahn-Reisenden zugänglich.19 Jahre später verschwindet der Stationsname "Unter den Linden". Die Haltestelle heißt seither "Brandenburger Tor". Als Ersatz soll an anderer Stelle ein neuer Halt mit der alten Bezeichnung versehen werden: Bis 2017 soll die umstrittene, ursprünglich von Helmut Kohl gewünschte "Kanzler-U-Bahn" vom Hauptbahnhof über das Brandenburger Tor bis zum Alexanderplatz verlängert werden. Dann soll es an der Kreuzung von "Unter den Linden" und Friedrichstraße wieder einen Bahnhof mit dem traditionellen Namen geben.
Stand: 01.09.10