Stichtag

12. November 2010 - Vor 205 Jahren: Alexanderplatz erhält seinen Namen

Am Alexanderplatz ist es ungemütlich. Von überall her zieht der Wind, als Franz Biberkopf dort seine Zeitungen verkaufen will. Vor allem aber ist der Alexanderplatz ein Ort der Baustellen, der Biberkopf während seines Gefängnisaufenthaltes so fremd und unheimlich geworden ist wie ganz Berlin: "Man möchte sich in den Baugruben verstecken", heißt es im Roman "Berlin Alexanderplatz" (1929) von Alfred Döblin, "aber wer kann das. Rumm rumm klatscht die Ramme nieder."

Ein Platz für Ochsen

Im ersten Großstadtroman deutscher Sprache ist der Alexanderplatz das zentrale Symbol der explodierenden Metropole. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts liegt das Terrain noch namenlos am urbanen Randbezirk. Ein Arbeitshaus für Bettler findet sich hier, Hinrichtungen werden dort vollstreckt, Soldaten paradieren, und männliche Rinder werden zum Verkauf angeboten. Im Volksmund wird das Terrain deshalb auch "Ochsenmarkt" genannt.
Das ändert sich erst, als Friedrich Wilhelm III. von Preußen nach einem ebenso symbolischen und kostengünstigen Geschenk für Russlands Zar Alexander sucht, der kurz zuvor Berlin und Potsdam besucht hatte und dem er in herzlicher Freundschaft verbunden ist. Am 12. November 1805 lässt er eine Kabinettsorder veröffentlichen, die den Platz offiziell in "Alexanderplatz" umbenennt.

Den Völkern der Erde

Im Laufe der Jahre wird der Alexanderplatz vom wachsenden Berlin aufgesaugt. Bereits 1830 erwähnt ein Reiseführer, dass er als "einer der größten öffentlichen Plätze der Hauptstadt größten Theils mit schönen Häusern besetzt" sei. Ein Theater entsteht, 1890 zieht die Polizei hier ein. 1905 eröffnet das berühmte Kaufhaus Tietz hier seine Pforten.
Als der Alexanderplatz, der im Zweiten Weltkrieg gänzlich zerstört wurde, in der DDR wieder aufgebaut wird, knüpft ausgerechnet die SED-Regierung an seine kapitalistische Tradition an: Im Centrum-Warenhaus werden laut DDR-Rundfunk täglich über 200.000 Besuchern 50.000 bis 60.000 Artikel angeboten. Ein "Brunnen der Völkerfreundschaft" soll ebenso wie eine "Weltzeituhr" die Verbundenheit des Arbeiter- und Bauernstaats zu den Nationen der Erde bekunden, der Fernsehturm am "Alex" wird zum Wahrzeichen Ostberlins. Desweiteren dient der Platz für Volksfeste zu den Jahrestagen der Deutschen Demokratischen Republik.

Die Weltzeituhr geht immer noch

Im November 1989 wird der Alexanderplatz zum Ort der größten inoffiziellen Demonstration Ostdeutschlands. Mit dem Fall der Mauer kehrt auch die von der SED-Regierung verbannte Straßenbahn zurück. Auf dem Alexanderplatz weht schon wieder ein anderer Wind. Nur die Weltzeituhr geht immer noch.

Stand: 12.11.10