New York, Times Square, 15. Oktober 1940: Das Premiere-Publikum feiert Charlie Chaplin und dessen Film "Der große Diktator". Es handelt sich um eine Parodie auf Adolf Hitler, der zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt seiner Macht ist: Die deutsche Wehrmacht erobert gerade Europa. Im Film wird Diktator Adenoid Hynkel nach dem Einmarsch seiner Truppen in das Land Austerlich (Österreich) per Zufall mit seinem Doppelgänger, einem aus dem KZ enflohenen jüdischen Barbier, verwechselt. Daraufhin wird der Barbier als "Führer" hofiert. Chaplin hat seinen ersten Ton-Film nicht nur selbst produziert, sondern auch die beiden Hauptrollen gespielt und Regie geführt.
Nazi-Propaganda gegen Chaplin
Als Chaplin das Projekt zwei Jahre zuvor ankündigte, stellte Hitler das als Kriegserklärung Hollywoods dar: "Die Ankündigung amerikanischer Filmgesellschaften, antinazistische, das heißt antideutsche Filme zu drehen, kann uns höchstens bewegen, in unserer deutschen Produktion in Zukunft antisemitische Filme herstellen zu lassen." Hitler macht seine Drohung wahr: Es kommen mehrere antisemitische Filme in die deutschen Kinos, unter anderem "Der ewige Jude". In dem angeblichen "Dokumentarfilm" wird unter anderem Chaplin als Vertreter des "internationalen Judentums" vorgeführt. Chaplin korrigiert die Falschmeldung, er sei Jude, bewusst nicht.Die Dreharbeiten für den "großen Diktator" beginnen am 9. September 1939, eine Woche nach dem deutschen Überfall auf Polen. Um den Rassenwahn der Nazis und den totalitären Charakter des deutschen Regimes herauszustellen, hat Chaplin eine eigene Film-Sprache für den Diktator geschaffen. Die setzt er immer dann ein, wenn Hynkel Befehle gibt oder Reden hält: "Demokratie. Schtonk. Liberty. Schtonk. Szkritm. Schtonk." Zunächst verspottet Chaplin Hitler noch als besten Schauspieler, den er je gesehen habe. Doch als kurz nach Ende der Dreharbeiten deutsche Truppen in Belgien, Holland und Frankreich einfallen, erwägt er, das Filmprojekt abzubrechen, da Hitler eine Gefahr für die Welt sei. Doch als Chaplin auf Fotos von Hitlers Reichskanzlei einen Globus entdeckt, hat er eine Idee. Er dreht weiter und lässt Hynkel mit einer Weltkugel jonglieren: "Alles oder nichts. Ich habe es in der Hand. Beherrscher der Welt. Meine Welt." Am Ende der Szene zerplatzt die Kugel.
"Ich möchte kein Herrscher sein"
Zunächst hatte Chaplin vor, den Film mit tanzenden Soldaten enden zu lassen, die sich über die gebrochene Macht des Diktators freuen. Doch angesichts von Hitlers wachsendem Einfluss denkt sich Chaplin einen neuen Schluss aus. Der Film endet schließlich mit einer Rede des Hinkel-Doppelgängers, in der Chaplin zu Demokratie und Freiheit aufruft: "Es tut mir leid, aber ich möchte kein Herrscher sein. Das liegt mir nicht. Ich möchte niemanden beherrschen oder erobern, sondern jedem helfen, wo ich kann - den Juden, den Heiden, den Schwarzen, den Weißen."Wie Hitler auf den Film reagiert hat, ist nicht überliefert. Er soll ihn aber gesehen haben - so die Aussage von US-Drehbuchautor Budd Schulberg, der bei Kriegsende den Auftrag hatte, Beweismaterial für den geplanten Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg zu sammeln: "Dabei sah ich mir die Liste der Filme an, die Hitler sich hat zeigen lassen. Und es ist wirklich wahr: Er ließ sich den 'Großen Diktator' vorführen, und er hat ihn am nächsten Tag noch einmal bestellt." Nach dem Krieg erklärt Chaplin, er hätte diesen Film nie gemacht, hätte er das ganze Ausmaß des Nazi-Terrors gegen Juden damals schon gekannt.
Stand: 15.10.10