Stichtag

30. Juni 2006 - Robert Gernhardt stirbt in Frankfurt am Main

Als Schüler hat Robert Gernhardt schwer zu kämpfen. Stärker, schneller und schöner seien seine Klassenkameraden immer gewesen, wird er sich später erinnern – und das hätten sie ihm gegenüber nicht selten ausgenutzt.
Aber Gernhardt entdeckt schon früh eine herausragende Fähigkeit, die ihm das Leben leichter macht: "Was ich immer konnte, war das Reimen. Und das setzte ich ein für Klassenabende und in Familienkreisen". Vermutlich wird er in diesem Rahmen auch schon gezeichnet haben - sein zweites Talent.

Schreiben für "pardon"

Geboren wird Gernhardt 1937 im estländischen Reval. Nach dem Tod des Vaters flieht er am Ende des Zweiten Weltkriegs mit der Mutter nach Göttingen. In Stuttgart und Berlin studiert er Kunst. Sein Nebenfach ist Germanistik: Die dortige Analyse der Hochliteratur bildet die Grundlage für die zahlreichen Zitate, Wortspiele und Parodien seiner späteren Gedichte.

1964 übersiedelt Gernhardt mit seinem Freund Fitz Weigle alias F. W. Bernstein nach Frankfurt. Hier gehört er zum Team der Satirezeitschrift "pardon", für die er gemeinsam mit Bernstein und F. K. Waechter die Nonsens-Kolumne "Welt im Spiegel" (WimS) entwickelt. Gemeinsam mit Eckhard Henscheid, Bernd Eilert, Peter Knorr, Hans Traxler und Chlodwig Poth wird er fortan der so genannten Neuen Frankfurter Schule zugerechnet, die das Humorverständnis einer ganzen Schüler- und Studentengeneration entscheidend mitprägt.

Versmaß und Humor

Für seine ersten Bühnenprogramme bedient sich Otto Waalkes schamlos bei Gernhardt, Knorr und Eilert. Darauf angesprochen, macht der Komiker die drei WimS-Autoren offiziell zu seinen Schreibern: auch an den Otto-Filmen der 1980er-Jahre wirkt er mit. Die Zusammenarbeit ("Willst du dir den Tag versaun, musst du Dalli-Dalli schaun") beschert Gernhardt finanzielle Unabhängigkeit.

Parallel schreibt und zeichnet Gernhardt für den "pardon"-Nachfolger "Titanic", veröffentlicht mit seiner Ehefrau Almut Kinderbücher und bringt neben satirischen Erzählungen das erfolgreiche Theaterstück "Toscana-Therapie" (1986) heraus. Auf dem Gebiet des Gedichts entwickelt er einen ganz eigenen Stil, der das Spiel mit allen nur erdenklichen Versmaßen der klassischen Poesie mit Komik verknüpft.

Komik, ernst genommen

In den 90er-Jahren erreichen Gernhardts Gedichtbände teils sechsstellige Auflagen. Zudem wird der Autor mit Preisen überhäuft und sogar vom deutschen Feuilleton als ernstzunehmender komischer Dichter anerkannt. Nach einer Herzoperation 1996 bekommen seine Gedichte einen neuen, Unbeschwertheit mit Melancholie verknüpfenden Ton. Robert Gernhardt stirbt am 30. Juni 2006 in Frankfurt am Main.

Stand: 30.06.2011

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist in den vier Wochen nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 30. Juni 2011 ebenfalls an Robert Gernhardt. Auch das "ZeitZeichen" gibt es einen Monat lang als Podcast.