Seit vierhundert Jahren träumen Schiffskapitäne von einem Kanal, der die Ozeane diesseits und jenseits des amerikanischen Kontinents verbindet. Immer wieder gibt es Pläne, die Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika für Schiffe passierbar zu machen. Denn: Der Seeweg über die Magellanstraße zwischen dem südamerikanischen Festland und der Insel Feuerland ist lang und beschwerlich. Doch erst im 19. Jahrhundert wagt es der Franzose Ferdinand de Lesseps, den Traum zu verwirklichen. Lesseps ist ein Diplomat im Ruhestand, kein Ingenieur. Aber er schafft es, andere Menschen für seine Projekte zu begeistern. "Das Genie des Ferdinand de Lesseps liegt in seiner Willenskraft", schreibt sein Freund Jules Verne. Lesseps hatte bereits den Suezkanal durch die Wüste von Ägypten graben lassen. Er gründet die interozeanische Panamakanalbaugesellschaft und beginnt Geld zu sammeln. "Allein in Frankreich, wo man es gewöhnt ist für die Zivilisation in der Welt zu arbeiten, werde ich das notwendige Kapital finden", sagt er. Nur wenige Großinvestoren und Banken legen Geld an, es sind vor allem private Kleinanleger, die investieren.
Panamakanal leichter zu vollenden als Suezkanal?
300 Millionen Franc kommen zunächst zusammen, Ferdinand de Lesseps veranschlagt acht Jahre Bauzeit, die Bauarbeiten beginnen am 1. Februar 1881. "Der Panamakanal wird leichter zu beginnen, leichter zu vollenden und leichter zu unterhalten sein als der Suezkanal", prophezeit Lesseps, der in Frankreich bereits "der große Franzose" genannt wird. Doch seine Bauplanung scheitert grandios. Nur ein einziges Mal begutachtet er die Bauarbeiten vor Ort, in einer kurzen Trockenzeit. In den Regenzeiten rutschen Schlammlawinen von den Hängen. Tausende von Arbeitern infizieren sich auf der sumpfigen Baustelle mit den Erregern von Gelbfieber und Malaria, insgesamt sterben vermutlich 25.000 von ihnen. Lesseps hat die Arbeitsbedingungen im Dschungel nicht bedacht. Dennoch behauptet er lange Zeit: "Es ist eine Operation, deren exakte Mathematik bestens bekannt ist." Doch immer neue Schwierigkeiten lassen die Bauarbeiten stocken: Erdbeben, Hochwasser, Brände, Materialfehler, Führungspersonal, das von Malaria und Gelbfieber dahingerafft wird. Die Kosten explodieren. Und Frankreich erfährt nichts.
Demontierter Held
Es gelingt der Kanalbaugesellschaft eine Zeit lang, die Öffentlichkeit über den Fortschritt der Bauarbeiten zu täuschen. Journalisten, Politiker und Bankangestellte werden bestochen, alle beschönigen die Fortschritte beim Bau. Nach der geplanten achtjährigen Bauzeit ist erst ein Sechstel der Strecke vollendet. Mehr als eine Milliarde Franc haben Kleinanleger investiert. Vergebens: Die Kanalbaugesellschaft ist pleite und einige der Anleger auch. Die Sache weitet sich zum größten Finanzskandal des 19. Jahrhunderts aus. 510 französische Parlamentsmitglieder werden der Bestechung durch die Panamakanal-Gesellschaft beschuldigt, aber nie angeklagt. Der "große Franzose" verliert alles: Als einer der wenigen wird er wegen Bestechung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, in seinen letzten beiden Lebensjahren gilt er als demontierter Held. Das Urteil wird später jedoch annulliert. Die Prozesse sind unübersichtlich und verwirrend, bis heute gilt der Skandal als nicht vollständig aufgeklärt. 1902 kaufen die USA die Konkursmasse preiswert auf und bauen den interozeanischen Kanal tatsächlich zu Ende. Im August 1914 durchfährt das erste Schiff den Panamakanal, im September 2010 das einmillionste, der chinesische Frachter "Fortune Plum". Und seit 2006 wird der Kanal, der heute Panama gehört, erweitert. So können ab 2014 - zu seinem hundertjährigen Bestehen – auch Schiffe der Post-Panamax-Klasse die Schleusen passieren: Schiffe, die statt 5.000 Containern 14.000 Stück fassen und fast einen halben Kilometer lang sind.
Stand: 01.02.2011
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 1. Februar 2011 ebenfalls an den Baubeginn des Panamakanals. Auch das "ZeitZeichen" gibt es einen Monat lang als Podcast.