Teddy Kollek ist gerade zwei Jahre Bürgermeister von West-Jerusalem, als die israelische Armee 1967 während des Sechs-Tage-Krieges den jordanisch besetzten Ostteil erobert. "Als die Stadt wiedervereinigt war, war meine erste Sorge: Wie würden die Menschen zusammenleben?", erinnert sich Kollek später. Er versucht, mit kommunalpolitischen Entscheidungen im Zentrum des Nahost-Konflikts für ein friedliches Miteinander zu sorgen. Eine Voraussetzung dafür sieht Kollek in verbesserten Lebensbedingungen der arabischen Minderheit. So lässt er etwa Arabisch im Behördenverkehr zu, stellt sich gegen die Benachteiligung von Arabern im Liegenschaftshandel und kritisiert deren Erniedrigung durch die Polizei. Morgens geht Kollek regelmäßig durch die Straßen und hört sich die Anliegen der Bürger an. "Mister Jerusalem" lässt sich von allen beim Vornamen nennen. Sein Vorgehen ist erfolgreich: Fünf Mal wird er als Oberbürgermeister wiedergewählt, fast 28 Jahre lang bleibt er im Amt.
Mit Eichmann verhandelt
Geboren wird Theodor Kollek am 27. Mai 1911 in einem Dorf bei Budapest. Er wächst in Wien auf, wo sein Vater Direktor der Rothschild-Bank ist. Als Zionisten wählen die Eltern den Vornamen ihres Sohnes nach Theodor Herzl, der für einen jüdischen Staat in Palästina eintritt. Als Elfjähriger schließt sich Kollek "Blau-Weiß" an, einem links-liberalen zionistischen Jugendbund. 1935 wandert die Familie in das damals britische Mandatsgebiet Palästina aus. Zwei Jahre später gründet Kollek am Ostufer des Sees Genezareth einen Kibbuz mit und heiratet seine aus Wien stammende Freundin Tamar. Ab 1938 ist Kollek in Europa unterwegs und plant Untergrund-Aktionen, um Juden aus dem Einflussgebiet der NS-Diktatur zu retten. Unter anderem trifft er 1939 in Wien den Organisator der sogenannten Endlösung der Judenfrage, Adolf Eichmann. Am Ende der Geheimverhandlungen erlaubt Eichmann die Auswanderung von 3.000 jüdischen Jugendlichen. Dies gelingt Kollek, weil er Dokumente vorlegt, in denen die Juden für Arbeitseinsätze in der britischen Landwirtschaft angefordert werden.
Waffen beschafft
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Kollek von der jüdischen Untergrundarmee Haganah nach New York geschickt. Er soll dort Spenden sammeln und Waffen kaufen. Der Hintergrund: Die Uno hat die Teilung Palästinas beschlossen, um die Gründung des Staates Israel zu ermöglichen. Beides lehnen die Araber ab. Aufgrund der Waffenlieferungen wehrt Israel deren Angriffe nach der Staatsgründung am 14. Mai 1948 ab. Nach dem Unabhängigkeitskrieg beginnt Kolleks politische Karriere. Er schließt sich der regierenden Arbeitspartei von Ministerpräsident David Ben Gurion an und wird 1950 Botschafter in Washington. Zwei Jahre später beruft ihn Ben Gurion zum Generaldirektor des Büros des Premierministers, das Kollek bis 1965 leitet. Als rechte Hand des Premiers übernimmt er zahlreiche Sondermissionen, darunter 1961 die Vorbereitung des Prozesses gegen Adolf Eichmann.
Zunehmende Orthodoxie
Auf Wunsch Ben Gurions tritt Kollek 1965 in Jerusalem bei der Bürgermeister-Wahl an. Er erhält gut 20 Prozent der Stimmen, sichert sich über eine Koalition die Mehrheit und übernimmt das Amt. Bei den folgenden Kommunalwahlen behauptet er sich jeweils souverän. Erst 1993 muss er sich dem Likud-Politiker Ehud Olmert geschlagen geben. Rückblickend gesteht Kollek ein, dass für die Araber im Osten Jerusalems auch unter seiner Führung deutlich weniger als für die jüdischen Einwohner investiert wurde. Angesichts der zweiten Intifada spricht er sich 2002 dafür aus, den Palästinensern die Souveränität über weite Teile des Ostens der Stadt zu übertragen. Als grundlegendes Problem Jerusalems bezeichnet er die zunehmende Orthodoxie unter Juden und Muslimen. Kollek bleibt seiner Stadt bis zum Ende treu: Er stirbt dort am 2. Januar 2007 im Alter von 95 Jahren.
Stand: 27.05.2011
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