Joseph Beuys, Künstler

Stichtag

23. Januar 1986 - Joseph Beuys stirbt in Düsseldorf

Jeder Mensch ist Künstler, das Leben ein Kunstwerk. Von dieser Maxime ist Joseph Beuys überzeugt. Kein Wunder also, dass er auch seine eigene Biografie gern dichtend verwandelt. Zu den Ausschmückungen gehört auch die Legende, mit der Beuys gern die Frage nach der Herkunft seiner Lieblingsmaterialien – Filz und Fett – beantwortet. Im Zweiten Weltkrieg sei er als Bordfunker mit seinem Stuka-Flugzeug über der Krim abgeschossen worden, gibt er Journalisten, Freunden und Schülern gegenüber immer wieder an. Tartaren hätten ihn zur Heilung tagelang mit Fett bestrichen und in wärmendes Filz gewickelt.
Recherchen in deutschen Behördenakten indes ergeben, dass Beuys bereits einen Tag nach seinem Abschuss von Rettungskräften geborgen wird. Aber was ist schon die Wirklichkeit der Beamtenwelt gegen die Wahrheiten der Kunst.

Drahtseilakte in der Kunst

Geboren wird Beuys 1921 in Krefeld. Schon früh beobachtet, sammelt und zeichnet er Tiere, zieht mit einem Hirtenstab durch die Landschaft und träumt von einer eigenen Herde. Später arbeitet er in einem Wanderzirkus, wo er einfache Drahtseilakte vollführt. Nach dem Abitur kommt er zur Wehrmacht, der spätere Tierfilmer Heinz Sielmann bildet ihn zum Funker aus. Der Absturz über der Krim habe ihn "zurechtgeschossen", wird Beuys später sagen – und das Ereignis so zum Wendepunkt seiner Karriere erklären.
Nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt Beuys in Düsseldorf ein Kunststudium. Später wird er Meisterschüler des Bildhauers Ewald Mataré, wo er über die anthroposophischen Schriften Rudolf Steiners diskutiert. Es folgen rastlose Sucherjahre, in denen Beuys Zuflucht im Elternhaus der Brüder van der Grinten im niederrheinischen Kranenburg findet. Sie werden seine ersten Sammler. Ab 1961 unterrichtet Beuys an der Kunsthochschule Düsseldorf, wo Jörg Immendorff, Felix Droese oder Blinky Palermo zu seinen Schülern zählen. Als er 1971 mit seinen Studenten das Sekretariat der Kunsthochschule besetzt, um für erleichterte Immatrikulationsbedingungen zu demonstrieren, wird er entlassen, später aber rehabilitiert.

Erweckung kreativer Zentren

Mit seiner Kunst stößt Beuys immer wieder auf Unverständnis. Eine von ihm mit Heftplastern und fettgetränkten Mullbinden ausgekleidete Babybadewanne wird bei einer Feier als Bierkühler missbraucht, eine von ihm im Atelier der Düsseldorfer Kunstakademie hinterlassene "Fettecke" fällt einer Putzfrau zum Opfer. 1965 irritiert er mit einer Performance, in der er einem Hasen durch eine Maske aus Gold und Honig hindurch "die Kunst" erklärt. Die Irritation hat Methode: Schließlich zielt sein Kunstbegriff gerade auf das Unerklärliche, und damit Energiespendende der Kunst: "Die Kunst hat eben die Aufgabe der Erweckung kreativer Zentren, die im Menschen noch schlummern."
Die Erweckung geht bis ins Politische, das Beuys in sein Gesamtkonzept einer "sozialen Plastik" miteinbezieht. In den siebziger Jahren ist Beuys Gründungsmitglied der Grünen, für die er 1979 als Kandidat sogar fürs Europaparlament antritt – für ihn ein durchaus künstlerischer Akt.

"Verschleißen muss man sich"

In seinen Aktionen geht Beuys oft bis an den Rand seiner Kräfte. Auch das ist Teil seines Kunstkonzepts, das den Körper und den Geist des Künstlers in die Skulptur seiner Arbeit vollständig aufgehen lassen will. "Der Verschleiß ist nötig", wird er einmal sagen. "Es ist vollkommen egal, in welchem Beruf man sich verschleißt, aber verschleißen muss man sich. Man muss sich zu Asche verbrennen. Sonst hat es keinen Zweck."
Am Ende verschleißt Beuys sich selbst völlig für die Kunst. Er stirbt am 23. Januar 1986, erst 65-jährig, in seinem Atelier in Düsseldorf.

Stand: 23.01.2011

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