Georgien gehört lange zum Südzipfel des riesigen russischen Zarenreiches. Das kleine Land im Südkaukasus ist ungefähr so groß wie Bayern und liegt zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer. Nach dem Sturz des Zaren 1917 löst sich Georgien von Russland und erklärt sich am 26. Mai 1918 für unabhängig. Zu dieser Zeit ist der Erste Weltkrieg noch im Gang. Weil das Deutsche Kaiserreich aus Georgien wichtige Rohstoffe bezieht, steht die Regierung des jungen Staates damals unter dem Schutz deutscher Truppen.
Die Sowjets erkennen die "Georgische Demokratische Republik" zunächst an. Doch 1921 marschiert die Rote Armee ein und unterwirft das Land der UdSSR. Auch hier gilt nun das Wort von Revolutionsführer Lenin: "Die Sowjetmacht übernimmt die Führung des Staates, der Landwirtschaft und Industrie." Es kommt zu Aufständen. 1924 werden rund 130.000 Georgier nach Sibirien deportiert. Andere arrangieren sich. Einige nutzen das Sowjetsystem für die eigene Karriere. So stammt der sowjetische Diktator Josef Stalin, der nach Lenin an die Macht kommt, aus Georgien.
"Perestroika" ermöglicht Proteste
Viele Jahre später spielt wieder ein Georgier eine führende Rolle in der Sowjetunion: Eduard Schewardnadse wird 1985 sowjetischer Außenminister und setzt zusammen mit Michail Gorbatschow, dem damaligen Generalsekretär der KPdSU, dessen Politik der Öffnung um. Die Schlagworte "Glasnost" (Transparenz) und "Perestroika" (Umgestaltung) nähren die Hoffnung, dass in der Sowjetunion bald Meinungsfreiheit zugelassen wird. In vielen Sowjetrepubliken bilden sich Unabhängigkeitsbewegungen - so auch in Georgien. In der Hauptstadt Tiflis kommt es Anfang April 1989 immer wieder zu Massendemonstrationen.
Am 9. April 1989 lösen Sondereinheiten der Roten Armee gewaltsam eine friedliche Kundgebung auf. Soldaten setzen Giftgas ein und erschlagen Demonstranten mit Spaten. 16 Menschen werden getötet. Wer den Einsatzbefehl gegeben hat, ist bis heute nicht bekannt. Gorbatschow bestreitet, davon gewusst zu haben.
Wiederherstellung der staatlichen Unabhängigkeit
Die Unabhängigkeitsbewegungen fühlen sich durch das brutale Vorgehen bestärkt. Nachdem die drei baltischen Republiken bereits im Februar und März 1991 Referenden für die Loslösung von der Sowjetunion abgehalten haben, geht auch Georgien diesen Weg. Am 31. März 1991 beteiligen sich 90 Prozent der dreieinhalb Millionen georgischen Stimmberechtigten an der Abstimmung über die Frage: "Sind Sie dafür, dass die staatliche Unabhängigkeit Georgiens auf der Grundlage des Unabhängigkeitsakts vom 26. Mai 1918 wiederhergestellt wird?" Die Zustimmung beträgt je nach Quelle 95 bis 99 Prozent. Offiziell erklärt Georgien seine Unabhängigkeit dann am 9. April 1991.
Die Volksabstimmung und die Wahl des Bürgerrechtlers Swiad Gamsachurdia zum Präsidenten gelten bis heute als die ersten regulären Wahlen in Georgien. Schon ein Jahr nach der Unabhängigkeit wird der autoritär regierende Gamsachurdia durch einen Putsch der Nationalgarde gestürzt. Aus Moskau kehrt Schewardnadse nach Tiflis zurück. Er wird zunächst Staatsratsvorsitzender, dann Präsident. Doch auch ihm, dem sogenannten weißen Fuchs, gelingt die Stabilisierung nur vorübergehend. Die Provinzen Abchasien und Süd-Ossetien fallen ab, Korruption lähmt das Land. 2003 zwingen junge Reformkräfte Schewardnadse zum Rücktritt. Mit dieser "Rosenrevolution" kommen dessen Ziehsöhne an die Macht - allen voran Micheil Saakaschwili, bis heute georgischer Präsident. Er übersteht sogar im Sommer 2008 den sogenannten Kaukasuskrieg, bei dem Georgien im Kampf mit Abchasien und Süd-Ossetien von Russland angegriffen wird.
Stand: 09.04.2011
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