Iwan Pawlow

Stichtag

27. Februar 1936 - Todestag von Iwan Petrowitsch Pawlow

Der Pawlowsche Reflex funktioniert beim Menschen und auch bei Fischen: Man spielt Barschen, Lachsen oder Forellen einige Wochen lang einen Ton vor und gibt ihnen unmittelbar danach zu fressen. Dann setzt man sie ins Meer aus. Erklingt der Ton erneut, schwimmen sie gierig in Richtung der Geräuschquelle und gehen ins Netz. Die Protagonisten des Originalexperiments von 1896 sind keine Fische, sondern Hunde – und sie machen den Sankt Petersburger Physiologie-Professor Iwan Petrowitsch Pawlow berühmt.

Unbedingter und bedingter Reflex

Pawlow wird am 14. September 1849 als Sohn eines russisch-orthodoxen Dorfgeistlichen geboren. Die Ausbildung zum Theologen bricht er ab, um zunächst Physiologie, die Wissenschaft von der Arbeitsweise der Organe, und später Medizin zu studieren. Nach Stationen in Leipzig und Breslau erhält er 1890 den Lehrstuhl für Pharmakologie, 1895 den Lehrstuhl für Physiologie an der Medizinischen Klinik in Sankt Petersburg. Erst nach Antritt der ersten Professur kann er seine Familie finanziell absichern; zuvor gibt der leidenschaftliche und aufbrausende Nachwuchsforscher sein ganzes Geld für Versuche aus. Er arbeitet vor allem experimentell, am liebsten mit Hunden. Sein Hauptinteresse gilt der Steuerung der Verdauung. Dafür wendet er neuartige tierexperimentelle Forschungsmethoden an: Er legt den Versuchshunden operativ künstliche Ausgänge an Magen, Mund- oder Bauchspeicheldrüse an, sogenannte Fisteln, ohne die Nerven zu schädigen. Er nennt sie "Fensterchen", die Einblicke in komplizierte Zusammenhänge des Körpers erlauben. Hierbei macht er die wichtige Beobachtung, dass die Produktion von Magensaft und Speichel bereits beim Anblick von Futter anläuft. Er nennt die Reaktion "unbedingt", also angeboren. Später schickte er dem Futterreiz einen akustischen Reiz voraus, eine Glocke, Klingel oder einen Klavierton. Nach einigen Lerndurchgängen sondert das Tier bereits Speichel ab, ohne dass Futter gebracht wurde - für Pawlow ein "bedingter" Reflex, eine erlernte Reaktion. Die akribisch durchgeführten und protokollierten Versuche Pawlows zeigen: Man kann Reflexe an Reize koppeln, die zunächst nichts miteinander zu tun haben, wie den Klang einer Glocke und Futter. Das Gehirn assoziiert nach einer Weile beide Reize miteinander, es entstehen Verbindungen zwischen Nervenzellen, die teilweise nie wieder verschwinden.

Wissenschaft verlangt das ganze Leben

Pawlow interpretiert bald das gesamte Verhalten von Säugetieren und Menschen als Kette von erlernten, bedingten Reflexen. Nicht für die Beschreibung des Reflexes, sondern für seine Untersuchungen zu Magensaft und Bauchspeicheldrüse, bekommt er als erster Physiologe 1904 den Nobelpreis für Medizin verliehen. Als Forscher wird Pawlow nach der russischen Oktoberrevolution von 1917 von Lenin vorbehaltlos gefördert. Bei bester Gesundheit arbeitet er bis ins hohe Alter, beschäftigt zeitweise 300 Mitarbeiter. Noch ein Jahr vor seinem Tod schreibt in einem offiziellen Brief an die Jugend Russlands: "Denkt daran, dass die Wissenschaft vom Menschen das ganze Leben verlangt, und hättet ihr zwei Leben - sie würden nicht ausreichen. Große Anstrengung und hohe Leidenschaft fordert die Wissenschaft vom Menschen." Pawlow stirbt, von der Fachwelt respektiert und anerkannt, am 27. Februar 1936 im Alter von 87 Jahren in Sankt Petersburg.

Stand: 27.02.2011

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