Die Reise steht unter keinem guten Stern. Als Erzherzog Franz Ferdinand, Neffe des österreichischen Kaisers, am 23. Juni 1914 von Österreich Richtung Bosnien-Herzegowina aufbricht, streikt zuerst der Salonwagen – die Achse ist heißgelaufen. In dem Ersatzwaggon funktioniert die elektrische Beleuchtung nicht, so dass sich der Thronfolger mit Kerzenschein zufrieden geben muss.Gefährlicher sind jedoch die politischen Wolken, die sich über dem Besuch des Thronfolgers zusammen gezogen haben. Bosnien und die Herzegowina stehen seit 1878 unter österreichischer Herrschaft und gehören seit 1908 offiziell zur österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie. Das gefällt vor allem den in der Region lebenden Serben nicht, die von einem Reich aller Südslawen träumen und den Besuch des Erzherzogs als Provokation empfinden. Für die Visite Franz Ferdinands gelten deshalb besondere Sicherheitsvorkehrungen. Zahlreiche Beamte sichern die Auftritte der Hoheiten. Während der Erzherzog Manöver der kaiserlichen und königlichen (k.u.k.) Armee südlich von Sarajevo inspiziert, besucht seine Frau Sophie soziale Einrichtungen in der Hauptstadt Bosniens.
Sprengsatz und Pistolenschüsse
Für den 28. Juni, einen Sonntag, ist die gemeinsame Abreise geplant. Zunächst jedoch ist ein abschließender Besuch im Rathaus von Sarajevo vorgesehen. Auf der Fahrt dorthin kommt es zu einem schweren Zwischenfall: Ein Sprengsatz wird gegen die Wagenkolonne der hohen Herrschaften geschleudert, sechs Menschen werden verletzt. Franz Ferdinand und Sophie bleiben unversehrt, und nach einem kurzen Stopp geht die Reise weiter. Nach der Zeremonie im Rathaus entschließt sich Franz Ferdinand, noch einen Abstecher zum Garnisonskrankenhaus zu machen, wo die Opfer des inzwischen verhafteten Bombenwerfers versorgt werden. Wieder setzt sich der Autokorso in Bewegung. Weil der erste Fahrer eine falsche Richtung einschlägt, stoppt der Konvoi. Doch bevor die Wagen wenden können, fallen Schüsse, die Franz Ferdinand und Sophie tödlich verletzen. Der Schütze: Gavrilo Princep, ein 19-jähriger bosnischer Serbe.
Das Attentat von Sarajevo wird zum Auslöser des Ersten Weltkriegs. Österreich-Ungarn vermutet Serbien als Drahtzieher des Doppelmordes. Die Doppelmonarchie versichert sich der Unterstützung Deutschlands, lässt sich einen Blankoscheck ausstellen und erklärt Serbien nach einem Ultimatum den Krieg. Serbien erhält Beistand von Russland, Österreich-Ungarn von Deutschland. Die damaligen Bündnisse ziehen rasch auch Frankreich und Großbritannien in den Krieg, der zur Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts wird und zehn Millionen Menschenleben kostet. Gavrilo Princep, der Attentäter von Sarajevo, stirbt 1918 im Gefängnis an Tuberkulose.
Stand: 28.06.04