Stichtag

26. Januar 2005 - Vor 100 Jahren: Bernhard Minetti in Kiel geboren

Am Anfang seiner Laufbahn muss sich Bernhard Minetti einen Decknamen geben, um auf der Bühne zu stehen: Weil sein Vater nicht will, dass er Schauspieler wird, taucht er nur als Konrad Helfer bei den Kieler Bühnen auf – als Statist. Im Alter darf er sogar auf der Bühne sich selbst spielen: Im Stück "Minetti", das Thomas Bernhard für ihn schrieb.
Dazwischen liegen fast sieben Jahrzehnte auf der Bühne, auf der Minetti über 400 Rollen verkörperte: Shakespeares Hamlet und König Lear, Schillers Räuber Franz Mohr, Goethes Faust, Tolkiens Gandalf … Er spiele kühl, dämonisch und expressiv zugleich, sagen Kritiker schon in den 30er Jahren. Da hat er unter Heinrich George und Gustav Gründgens seine großen Jahre am Berliner Schillertheater. Während der Nazizeit spielt er weiter die großen Charaktere, möglichst weit weg von aktueller Politik und Krieg. "Ich konnte kein Held sein", sagt er später.

Nach dem Krieg sind die wichtigen Kollegen tot, in Gefangenschaft oder politisch belastet. Minettis Vater stirbt in den Hungerjahren. Minetti reist von Bühne zu Bühne, kann aber an seine großen Erfolge nicht anknüpfen. Die neuen Stücke, etwa das absurde Theater von Samuel Beckett, sind ihm zunächst fremd. Erst Ende der 60er Jahre, wieder in Berlin, erfindet er sich neu: Unter den Regisseuren Dieter Dorn und Claus Peymann und mit den Stücken von Thomas Bernhard. Der hagere Alte spielt nun das Altern, die Einsamkeit, die Weltverneinung. Dabei ist Minetti selbst voll Lebensfreude, liebt Sportwagen und Fußball, wäre gern auch Clown geworden. "Der Clown ist nun ziemlich eindeutig die Überwindung des Schreckens", sagt er.
Bernhard Minetti spielt bis wenige Wochen vor seinem Tod - in den Brechtstücken "Ozeanflug" und "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" (unter der Regie von Heiner Müller). Er stirbt mit 93 Jahren, am 12. Oktober 1998 in Berlin.

Stand: 26.01.2005