Als Fellini seinen Freund Marcello Mastroianni für "La Dolce Vita" gewinnen wollte, übergab er ihm ein Drehbuch, das nur aus leeren Seiten bestand - und mitten drin eine typische Fellini-Zeichnung: Ein kleiner Mann, in einem kleinen Boot, mitten im Ozean. Der Penis des Mannes reicht bis zum Meeresgrund, umringt von wunderschönen Nixen. Mastroianni schaute das Bild an und sagte: "Eine interessante Rolle. Ich spiele sie."
Was ist heute schon noch ein echter Skandal? Nichts, verglichen mit dem Sittenbeben, das "La Dolce Vita" 1960 nach seiner Uraufführung auslöst. Ein illusionsloser Dreistunden-"Kunstfilm" aus Italien, ohne durchgängige Handlung. Im Zentrum ein selbstgefälliger Haufen von Society-Leichen und ein abgewrackter Klatschreporter, der auf der Via Veneto wie ein Aasgeier seine Beute belauert. 45 Jahre später schwer vorstellbar, dass so was in Europa und Amerika Medienaufruhr und Besucher-Rekorde produziert. Ein grelles Sitten-Drama, für das sein Regisseur beschimpft und bespuckt wird. Ein Film, den der zutiefst empörte Vatikan sogar als "Verletzung der vatikanischen Würde" verdammt. Dieser Film gewinnt in Cannes die Goldene Palme und wird zu Fellinis größtem kommerziellen Erfolg. Er bereichert sogar unsere Sprache: Selbst Amerikaner träumen heute noch von "La Dolce Vita", wenn ihnen das Luxus-Treiben von Promis und Prinzen vorgeführt wird.
Mit "La Dolce Vita" gelang Federico Fellini eine ungeschminkte Karikatur der Ratlosigkeit angesichts eigener Wert(e)losigkeit. Bis heute steht das lustvolle wie zynische Meisterwerk über Dekadenz im Programm der Filmkunst-Kinos. Es machte Anita Ekberg zur Film-Ikone und degradierte gnadenlose Fotoreporter ein für alle Mal zu "Paparazzi". Für Fellini selbst war es der lang erhoffte Durchbruch und öffnete endlich die Türen der wichtigsten Filmproduzenten.
Stand: 05.02.05