Seit Menschengedenken schiebt sich das Barthaar täglich um vier Millimeter aus dem männlichen Kinn. Aber bis Ende des 19. Jahrhunderts sehen Rasierapparate im Prinzip immer noch so aus wie die Klingen der alten Ägypter. Der Bart wird also mit einigem Verletzungsrisiko heruntergehobelt oder – nach Indianerart – einzeln ausgerissen. Lange schon suchen findige Köpfe nach sanfteren Methoden, den Bart los zu werden, ohne Erfolg.
Der entscheidende Durchbruch gelingt ausgerechnet dem amerikanischen Handelsvertreter King Camp Gillette. 1894 hat er gerade mit dem Buch "The Human Drift", dem Entwurf einer genossenschaftlichen Idealgesellschaft, Schiffbruch erlitten. Doch der groß gewachsene, knapp 40-Jährige mit dem aristokratischen Aussehen, ist wild entschlossen, erfolgreich zu sein. Sein Freund William Painter rät ihm, einen Gebrauchsgegenstand zu erfinden, der schnell ersetzt und neu gekauft werden muss. Painter weiß, wovon er spricht: Er selbst hat wenige Jahre zuvor den Kronkorken erfunden. Gillette leuchtet die Idee des Wegwerfprodukts ein. Monatelang analysiert er von nun an seinen Alltag, bis 1895 der Groschen fällt. Gillette will sich rasieren, das Messer ist stumpf, ein Schleifstein nicht zur Hand. Das ist die Geburtsstunde der Rasierklinge.
Noch am selben Tag bastelt Gillette aus Uhrfederstahl und Messingblech den Prototyp des ersten Nassrasierers der Welt und legt damit den Grundstein zu einem Wirtschaftsimperium, einem Global Player. 1905 expandiert Gillette mit einem gigantischen Werberummel nach Europa und steigert den Absatz seiner Rasierklingen von 1,2 Millionen auf 11,9 Millionen Stück pro Jahr. Zehn Jahre später sind es 530 Millionen Klingen. 1931 zieht sich King Gillette als Multimillionär aus dem Geschäft zurück. Es ist das Jahr, in dem Jacob Schick den ersten ernsthaften Herausforderer der Rasierklinge erfindet: den elektrischen Rasierapparat. Heute gehört die börsennotierte "Gillette Co." zu den 150 größten Konzernen der Welt.
Stand: 05.01.05