Stichtag

05. September 2007 - Vor 30 Jahren: Die RAF entführt Hanns Martin Schleyer in Köln

Montag, 5. September 1977: Die Radionachrichten melden, dass die RAF -Häftlinge in Stuttgart-Stammheim für vier Stunden täglich ihre Einzelzellen verlassen dürfen. Ihren vierten Hungerstreik haben Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin beendet.
Im Kölner Stadtteil Braunsfeld herrscht Feierabendverkehr. Ein junges Pärchen steht mit einem Kinderwagen an einer Straßenecke des Villenviertels am Stadtwald. Gegen 17.28 Uhr biegt die Limousine von Hanns Martin Schleyer um die Ecke, dahinter ein Begleitfahrzeug mit drei Polizisten. Plötzlich fährt ein gelber Mercedes rückwärts auf die Fahrbahn und stoppt die Wagenkolonne. Die Terroristen Peter-Jürgen Boock und Sieglinde Hofmann holen zwei Gewehre aus dem Kinderwagen und eröffnen das Feuer. Auch ihre Komplizen Willy Peter Stoll und Stefan Wisniewski beginnen zu schießen.

Im Kugelhagel von mindestens 119 Geschossen sterben Schleyers Fahrer, Heinz Marcisz, und die Polizeibeamten Reinhold Brändle, Roland Pieler und Helmut Ulmer.  Es ist der Plan der RAF, durch die Entführung die inhaftierten Genossen aus Stammheim frei zu pressen - sie nennen die Aktion "Big Raushole". Schleyer ist Vorstand der Daimler-Benz AG, Arbeitgeber-Präsident, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und CDU-Mitglied. "Spindy", wie die Terroristen der 62-Jährigen nennen, ist für sie das perfekte Ziel. Das ehemalige SS- und NSDAP-Mitglied Schleyer plädiert für einen starken Staat, stellt die Mitbestimmung der Gewerkschaften in Frage und schreckt bei Streiks auch nicht vor Aussperrungen zurück.

Während Schleyer im "Volksgefängnis" der RAF sitzt, beschließt der "Große Krisenstab" unter Leitung von Bundeskanzler Helmut Schmidt: Die RAF-Häftlinge werden nicht ausgetauscht. Stattdessen hofft das BKA, durch ein Hinhalten der Terroristen Zeit für die Befreiung Schleyers zu gewinnen. Das RAF-Kommando "Siegfried Hausner" versteckt Schleyer zunächst in einem Hochhaus in Erftstadt bei Köln. Die Fahndung läuft zwar auf Hochtouren, doch der Hinweis eines Polizisten auf das Versteck geht unter. Die konspirative Wohnung wird nicht überprüft. Schleyer kann deshalb in die Niederlande und nach Belgien verschleppt werden. Die Situation eskaliert, als das palästinensische Kommando "Martyr Halimeh" die Lufthansa-Maschine "Landshut" entführt. Der GSG-9 gelingt es, die Passagiere in der Nacht zum 18. Oktober 1977 auf dem Flugplatz von Mogadischu zu befreien. Am nächsten Morgen werden die RAF-Häftlinge in Stammheim tot aufgefunden. Daraufhin erschießen die Entführer Hanns Martin Schleyer und deponieren seine Leiche im Kofferraum eines Autos, das am 19. Oktober 1977 in Mühlhausen im Elsass gefunden wird.

Stand: 05.09.07