Das britische Parlament ist für seine lebhaften Debatten bekannt. Das Recht, im Parlament frei seine Meinung sagen zu können, geht zurück auf die "Bill of Rights". Diese Sammlung von Parlaments- und Bürgerrechten ist für Großbritannien von grundlegender Bedeutung, weil das Land bis heute keine schriftliche Verfassung hat. Sie ist Ende des 17. Jahrhunderts entstanden und Resultat eines fast 100 Jahre schwelenden Konflikt zwischen Parlament und englischem Königshaus. Der Streit endet für die englischen Könige mit einer drastischen Beschneidung ihrer Macht. Das Parlament entscheidet seitdem über die Finanzen der Monarchen.
Ein Rückblick auf die Auseinandersetzungen: 1603 besteigt König Jakob I. aus dem Hause Stuart den englischen Thron. Er lebt verschwenderisch und träumt von einer königlichen Alleinherrschaft: "Könige werden zu Recht als Götter bezeichnet, weil sie auf Erden eine Art göttliche Macht ausüben." In einem Land, in dem bereits seit dem 13. Jahrhundert neben dem König ein Parlament existiert, kommt das Gerede vom Gottesgnadentum nicht gut an. Zumal die Nachfolger Jakobs I. auch noch mit dem Katholizismus liebäugeln. Das protestantisch dominierte Parlament versucht daraufhin, die Könige finanziell zu beschränken. Die Folge: Den Königen fehlt das Geld für Luxus und Kriege. Der Streit führt in den 40er Jahren des 17. Jahrhunderts zur ersten englischen Revolution. Sie kostet 1649 dem englischen König Karl I. den Kopf.
Aus den englischen Bürgerrechten entwickeln sich die Menschenrechte
Anschließend ruft der Heerführer Oliver Cromwell zwar kurzzeitig die Republik in England aus, doch seine Herrschaft ähnelt eher einer Militärdiktatur. Nach seinem Tod wird die Monarchie wiedereingesetzt. Auch seine Nachfolger bewähren sich aus Sicht der Parlaments nicht. Der katholische König Jakob II. wird 1688 bei der unblutigen "Glorreichen Revolution" aus dem Land gedrängt und seine protestantische Tochter Mary und deren Mann Willhelm III. von Oranien auf den Thron berufen. Wenig später reklamiert das Parlament mit der "Bill of Rights" seine Ansprüche in der künftigen Regierung: Am 13. Februar 1689 verlesen Vertreter von Ober- und Unterhaus die Deklaration der Rechte der Engländer in Anwesenheit des Königspaares. An der Spitze der zukünftigen konstitutionellen Monarchie soll ein protestantischer Herrscher stehen. Es geht aber nicht nur um die Parlamentsrechte, sondern zum ersten Mal auch um allgemeine Bürgerrechte wie die Redefreiheit oder das Recht, an den König Gesuche zu richten.
Die "Bill of Rights" erlangt am 23. Oktober 1689 Gesetzeskraft: "Ohne Zustimmung des Parlaments kann die königliche Autorität keine Gesetze oder die Ausführung von Gesetzen außer Kraft setzen", heißt es darin. Der Kompromiss des so genannten "King of Parliament", also des Königs mit dem Parlament, ist ein Meilenstein für die englische Demokratie. Die meisten anderen Demokratien haben die zentralen Forderungen der "Bill of Rights" als Grundrechte in ihre Verfassungen aufgenommen. Auch im Deutschen Grundgesetz spiegeln sich die über 300 Jahre alten Gedanken wieder. Schließlich entwickeln sich aus den englischen Grund- und Bürgerrechten des 17. Jahrhunderts im 20. Jahrhundert die allgemeinen Menschenrechte.
Stand: 23.10.04