Stichtag

30. September 2004 - Vor 50 Jahren: Der Film '08/15' wird uraufgeführt

Ursprünglich ist "08/15" die Bezeichnung für ein Wasser gekühltes Maschinengewehr, das 1908 beim deutschen Heer eingeführt wird und – weil es so oft versagt – 1915 überarbeitet werden muss. Erst seit dem größten Kinoerfolg der 50er Jahre ist "08/15" in der Alltagssprache zur Chiffre für Durchschnitt und Beliebigkeit geworden: Rund 20 Millionen Zuschauer haben sich die Kriegsfilm-Trilogie "08/15" angesehen. Der erste Teil "08/15 in der Kaserne" wird am 30. September 1954 in München uraufgeführt. Das Drehbuch basiert auf der gleichnamigen Romanserie von Hans Hellmut Kirst. Darin wird die Brutalität der militärischen Ausbildung in der Wehrmacht geschildert. Kirst ist ab 1934 dort selbst Ausbilder gewesen und hat in seinem Werk die eigenen Erlebnisse verarbeitet. Als Held der Geschichte wehrt sich Joachim Fuchsberger in der Rolle des widerspenstigen Gefreiten Asch gegen den Drill und die Schikanen des Schleifers Platzek. "Hier werden aus Menschen Soldaten gemacht", erklärt Hauptwachtmeister Schulz dem Rekruten Vierbein, der von den Unteroffizieren besonders getrietzt wird."08/15" läuft in den deutschen Kinos an, als über die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik diskutiert wird. Bereits kurz nach dem Erscheinen des Buches am 25. März 1954 regt sich konservativer Protest gegen die angeblich darin vorhandenen Verzerrungen. Der Interessenverband der Berufssoldaten empfindet den Roman als "Aushöhlung deutschen Wehrwillens". Auch der damalige Bundesminister für besondere Angelegenheiten, Franz Josef Strauß (CSU), nennt Kirsts Buch ein Pamphlet und behauptet, Kirst sei in seiner Brigade als NS-Führungsoffizier "bis zur letzten Stunde des Krieges tätig" gewesen. Für den Filmwissenschaftler Wolfgang Wegmann, der seine Doktorarbeit über den Westdeutschen Kriegsfilm in den 50er Jahren geschrieben hat, ist die Auseinandersetzung um die Wiederbewaffnung nicht verwunderlich: "Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte man nicht ohne Bruch wieder ein militärisches System etablieren, ohne auch eine Diskussion über die politische Verstrickung eines solchen Systems zu führen."

Doch "08/15" ist kein antimilitaristischer Film, sondern ein Kasernenhof-Schwank, der die Willkür beim Kommiss zeigt - mit oft derbem Witz und unfreiwilliger Komik. Trotzdem trifft "08/15" das Lebensgefühl vieler Kriegsheimkehrer, wie das des mittlerweile 76 Jahre alten Albert Heinemann: "Weil viele noch die Zeit kannten, haben sie sich das gerne nochmal angesehen - aus der Perspektive heraus, jetzt kann uns nichts mehr passieren. Sie haben das alles noch mal als Schreckensbild gesehen, wie es ihnen ergangen ist." Wie es sich für einen Unterhaltungsfilm gehört, hat die Story ein Happy End: In der Schlussszene wird der Gefreite Asch zum Unteroffizier befördert, um seine Verbesserungsvorschläge in die Praxis umsetzen zu können. Das System an sich ist gut, lautet die Botschaft. Filmwissenschaftler Wegmann: "Der Film rechtfertigt ein neues Militärsystem, indem er zwar die in allen Militärsystemen vorkommenden Schikanen aufzeigt, aber sie nicht als System bedingt ansieht, sondern als persönliche Auswüchse von Sadisten." Insgesamt werde das System Militär "als selbst reinigend" dargestellt.

Stand: 30.09.04