Eingang zum Grand Auditorium in Cannes

Stichtag

20. September 1946 - Das erste Internationale Filmfestival in Cannes

Der rote Teppich steht im Mittelpunkt, wenn sich an der Côte d’Azur jedes Jahr im Mai zwölf Tage lang die Filmstars der alten und der neuen Zeit treffen. Drei Mal am Tag wird der rote Teppich in Cannes gereinigt, zweieinhalb Tausend Paar Schuhe schreiten täglich darüber. Seit den 80er Jahren bespannt er auch die 24 Stufen, die hinauf zum Festival-Palais führen, von den Einheimischen "le bunker", der Bunker, genannt. Der ehemalige Festivalleiter Gilles Jacob sagte einmal, die Treppenstufen seien eine religiöse Metapher. Bei den Filmfestspielen in Berlin und Venedig sind die Eingänge zum Premierenkino ebenerdig; im französischen Cannes an der Côte d’Azur jedoch steigt man höher und höher.

Gegengewicht zu den Filmfestspielen in Venedig

Der Filmwettbewerb von Cannes sollte ursprünglich im Herbst 1939 zum ersten Mal stattfinden. Es ist die französische Antwort auf die Filmfestspiele in Venedig: Vom französischen Kulturminister Jean Zay unterstützt, will der Festivalgründer Philippe Erlanger, ein französischer Journalist, Kunsthistoriker und Staatsbeamter, ein Gegengewicht zum faschistisch geprägten venezianischen Filmfest schaffen. Dort feierten 1938 die Italiener Leni Riefenstahls "Olympia" und einen Film des Mussolini-Sohns Vittorio. Amerikanische, französische und britische Filmemacher verlassen protestierend die Veranstaltung. Erlanger erklärt: "Es gab zuvor beim Filmfestival in Venedig Streit. Joseph Goebbels wollte die Ergebnisse fälschen lassen und die Jury beeinflussen. Da kam mir in den Sinn, dass die Zeit jetzt reif sei für ein anderes Filmfest - das, der freien Welt." Doch erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs, am 20. September 1946, eröffnen die Franzosen das "Erste Internationale Filmfestival von Cannes". Nur zweimal, 1948 und 1950, fällt der Filmwettbewerb wegen Geldmangels aus. Ab 1952 verlegen die Organisatoren das Filmfest in den Mai, denn auch das Festival in Venedig findet im September statt.

Autorenfilm und Kommerz in Cannes

Das Filmfestival in Cannes verbindet bis heute Filmkunst mit Kommerz. Rings um den Festival-Palais handeln Filmein- und verkäufer mit Drehbüchern, abgeschlossenen oder halb fertig gestellten Kinostreifen. Im Wettbewerb jedoch laufen vor allem anspruchsvolle Autorenfilme, viele sozialkritisch und melancholisch. Die Besucher sagen, so viel Tristesse auf der Leinwand könne man nur an einem Ort wie Cannes ertragen. Von 2.000 eingereichten Filmen gelangen rund 20 in den Wettbewerb; eine wechselnde Jury vergibt den Hauptpreis, Palme d'Or, die Goldene Palme, und unter anderem Preise für die besten Darsteller und die beste Regie. Viele Filmlegenden saßen der Cannes-Jury in der Vergangenheit vor, wie Fritz Lang, Jean Cocteau, Ingrid Bergman, Yves Montand und Sean Penn.

Flippern vor Aufregung

Auch deutsche Regisseure konnten die Goldene Palme mit nach Hause nehmen. 1979 gewinnt sie Volker Schlöndorff mit "Die Blechtrommel", 1984 soll Wim Wenders Film "Paris,Texas" in Cannes gezeigt werden. Er steht unter Zeitdruck. Die Eröffnungszeremonie läuft bereits, als er und seine Kollegen in Berlin erst mit der Hauptmischung des Films beginnen. In einem Pariser Schnittraum werden die Untertitel gesetzt und Wenders nimmt den Nachtzug an die Côte d’Azur. Zwanzig Minuten vor der Vorstellung erreicht er Cannes. Während sein Film läuft, geht Wenders im Hotel flippern, anders hält er die Spannung nicht aus. Alle Aufregung hat sich gelohnt: "Paris, Texas" gewinnt den Hauptpreis. Die Jury entscheidet – was nur selten geschieht – einstimmig für das Roadmovie des Deutschen. Wenige Jahre nach seinem ersten Erfolg gewinnt Wim Wenders auch den Jury-Preis für die beste Regie: 1987 mit "Der Himmel über Berlin".

Stand: 20.09.2011

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