Old Shatterhand ist begeistert. Der schrullige Büchsenmacher, dem der spätere Held als junges Greenhorn in "Winnetou I" begegnet, hat ein völlig neuartiges Gewehr erfunden, das 25 Schuss hintereinander abfeuern kann. Die Patronen werden einfach in einem Magazin unter dem Lauf verborgen. Ein Ladebolzen sorgt für schnelles Nachladen. Der Büchsenmacher heißt Tyler Henry, seine Erfindung wird bei May zum legendären "Henry-Stutzen". Im richtigen Leben geht Henrys Wunderwaffe ab 1866 in der Fabrik von Oliver F. Winchester in Massenproduktion, in der der Tüftler als Konstrukteur beschäftigt ist. Hier werden die Waffen auch nicht als "Henry-Stutzen", sondern unter dem Namen des Industriellen vertrieben: als Winchester-Repetiergewehre.
Oliver F. Winchester wird 1810 als Sohn eines Bauern in Boston geboren. Nach einer Lehre als Zimmermann macht er als Marketinggenie schnell mit einer eigenen Hemdenfirma Karriere. Nach dem Konkurs der Waffenschmiede Smith & Wesson sattelt Winchester um. Er kauft das marode Unternehmen und führt es als "New Haven Arms Co." weiter. Henry gehört zur Konkursmasse. Die Weiterentwicklung von dessen Erfindung vermarktet der clevere Geschäftsmann in Werbeprospekten schon bald als "wirksamste Waffe der Welt". Die Rechnung geht auf: Mit ihrem schnellen und präzisen Gewehr schaffen Henry und Winchester dem Wilden Westen eine Waffe, die zum Mythos wird.
Von nun an wird die Winchester zur ständigen Begleiterin des amerikanischen Traums, zur stählernen Verkörperung von Freiheitsdrang und eisernem Willen. Im blutigen Kampf gegen Indianer verhilft sie Siedlern und Cowboys zu Land für ihre Herden und Familien. Danach dient sie ihnen zur Verteidigung des gewaltsam erworbenen Besitzes. Bis zu 60 Schuss pro Minute sollen Meisterschützen aus ihrem Lauf geholt haben. Im Film "Winchester 73" spielt sie neben James Stewart die Hauptrolle.
Oliver F. Winchester stirbt am 11. Dezember 1880 - nicht im Duell wie viele seiner Kunden, sondern friedlich im heimischen Schlafzimmer an der Ostküste der USA.
Stand: 11.12.05