Stichtag

1. November 1996 - Der arabische Sender Al Dschasira nimmt Betrieb auf

In der breiten Weltöffentlichkeit wird der arabische Fernsehsender Al Dschasira erstmals nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 wahrgenommen. Der Nachrichtenkanal zeigt als erster Live-Bilder von den amerikanischen Luftangriffen auf Afghanistan im Oktober desselben Jahres. Bei Al Dschasira kommt US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld genauso zu Wort wie Al Qaida-Chef Osama bin Laden oder der irakische Staatschef Saddam Hussein. "Wir vergleichen sie nicht, sondern wir stellen die verschiedenen Seiten vor", sagt Aktham Suliman, Deutschland-Korrepondent von Al Dschasira.

Dieses Informationsverständnis wird nicht überall geteilt. Die US-Regierung und andere Staaten kritisieren, dass der Sender sich als Sprachrohr von islamistischen Terroristen instrumentalisieren lasse. Sympathisanten der Terroristen wiederum verdächtigen Al Dschasira, mit der CIA zusammenzuarbeiten. Denn nach einem Interview des Senders ist Ramzi Binalshib verhaftet worden. Er gilt als einer der Drahtzieher der Anschläge vom 11. September.

Sitz auf der arabischen Halbinsel

Hervorgegangen ist Al Dschasira aus einer gescheiterten Kooperation der BBC mit den Saudis. Die Verhandlungen scheitern im April 1996. Rund 250 bereits angestellte Mitarbeiter werden arbeitslos. Da springt Hamad bin Khalifa Al-Thani ein, der Emir des Scheichtums Katar. Er heuert die entlassenen Reporter an, gründet einen neuen Sender mit Sitz in Doha, der Hauptstadt von Katar. Weil sein Land im Nordosten der arabischen Halbinsel am Persischen Golf liegt, nennt der Emir den Sender "Al Dschasira", zu deutsch: die Insel. Am 1. November 1996 wird der Betrieb über Satellit aufgenommen.

Der Sender berichtet von Beginn an journalistisch unabhängig - etwa mit News-Shows nach CNN-Vorbild und Talk-Sendungen mit Zuschauerbeteiligung. Al Dschasira greift Reizthemen auf: Demokratie-Defizite, die Verfolgung Andersdenkender, soziale Wurzeln der Islamisten, Unterdrückung von Frauen. Das ist ein Novum im Nahen Osten. Wer sich früher in der arabischen Welt über Vorgänge im eigenen Land informieren wollte, schaltete die englische BBC ein. "Man hat die arabischsprachigen verlässlichen Nachrichten aus westlichen Medien geholt", sagt Deutschland-Korrespondent Suliman. "Das hat sich mit Al Dschasira geändert."

Wegbereiter des arabischen Frühlings

Als erster arabischer Sender baut Al Dschasira ein weltweites Korrespondentennetz auf und kann so auch ein Bild der nicht-arabischen Welt vermitteln. Seit 2006 wird zusätzlich auf Englisch gesendet. Aus dem kleinen Fernsehsender ist ein globaler Medienkonzern geworden - Doku-, Kinder- und Sportkanäle inklusive.

2011 ist Al Dschasira von Anfang an mit Live-Übertragungen bei den Umstürzen in Tunesien, Ägypten und Libyen präsent. Deutschland-Korrespondent Suliman sieht den Sender aber nicht als treibende Kraft des Arabischen Frühlings: "Eigentlich haben wir das nur begleiten können, aber wir sind nicht die Initiatoren." Dennoch hat Al Dschasira durch seine jahrelange Berichterstattung, die sich über Tabus und Konventionen hinwegsetzt, den Boden bereitet. Der Sender hat eine ganze Generation junger Menschen geprägt.

Stand: 01.11.2011

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