"Ich war nie der talentierteste Spieler. Ich musste mir alles unheimlich hart erarbeiten und es gab bestimmt viel bessere Fußballer. Nur, ich hatte Willen! Ich musste und ich wollte nach oben", sagt Berti Vogts, der Fußballspieler, der mit seinem Verein Borussia Mönchengladbach fünf Mal die deutsche Meisterschaft gewonnen hat, 96 Mal als Nationalspieler auf dem Rasen stand und 1974 Weltmeister in Deutschland wurde. In seiner zweiten Karriere als Bundestrainer führt er die Nationalmannschaft 1996 in England zum EM-Titel. Die Süddeutsche Zeitung schreibt 1998 in einem Porträt über den nur 1,68 Meter großen Spieler: "Berti Vogts war Verteidiger. War der Zäheste der Zähen, der Unerbittlichste der Unerbittlichen, der Ausdauerndste der Ausdauernden, war Berti, der Terrier, Eisenfuß Vogts, Mister Dauerbrenner, ein Junge, dem wenig Talent mitgegeben war, dafür Härte gegen sich selbst und ein wachsames Über-Ich."
Beckenbauer profitiert von Vogts' Nachwuchsspielern
Als Hans-Hubert Vogts wird er am 30. Dezember 1946 in Büttgen am Niederrhein geboren und tritt mit acht Jahren dem VfR Büttgen bei. Im Alter von zwölf Jahren verliert er innerhalb eines Jahres Mutter und Vater; er wächst bei seiner Tante auf, die die Vereinsgaststätte des VfR Büttgen bewirtschaftet. Später spielt er in der Jugendnationalmannschaft, 1974 gehört er zu den herausragenden Spielern des deutschen Weltmeisterteams. In seinem letzten Länderspiel, Deutschland-Österreich 1978, schießt er ausgerechnet ein Eigentor. "Ich hätte mir auch einen besseren Abgang gewünscht", sagt er. Ab August 1979 trainiert er mit großem Erfolg die Jugend-Nationalmannschaften beim Deutschen Fußball-Bund und führt der A-Nationalmannschaft unter Beckenbauer immer wieder hoch talentierte Spieler zu: Von den 22 Spielern der Weltmeisterelf von 1990 sind nur zwei nicht durch seine Hände gegangen.
Beckenbauer: "Vogts ist der ideale Nachfolger"
Am 1. Dezember 1989 gibt der DFB bekannt, dass Berti Vogts das Bundestraineramt von Übervater Franz Beckenbauer übernimmt. Vogts erklärt: "Franz Beckenbauer kann man vergleichen mit einem Cadillac. Ich persönlich vergleiche mich eher mit einem deutschen VW." Franz Beckenbauer, der jahrelang vom Vogts-Nachwuchs profitierte, gibt Rückendeckung: "Ich bin voll überzeugt, dass der Berti Vogts der ideale Nachfolger ist." Doch Vogts, der Weltklassefußballer und fachlich anerkannte Trainer, steht ständig in der Kritik der Medien. "Dem Künstler mit dem gewissen Etwas folgt ein Mann ohne Charisma nach, dem dennoch viel Vertrauen gilt", hieß es etwa in der FAZ. Oft ist es nicht seine Kompetenz, die angezweifelt wird, sondern seine persönliche Eignung. Er sei kleinbürgerlich, farblos und habe ein Kommunikationsproblem, ist immer wieder zu hören und zu lesen. Als die Deutschen bei der WM 1994 in den USA im Viertelfinale ausscheiden, druckt die Bild-Zeitung ein Kündigungsschreiben mit der Aufforderung an den Bundestrainer, dieses zu unterschreiben. In der DFB-Chronik "100 Jahre Deutscher Fußball-Bund" aus dem Jahr 1999 heißt es rückblickend: "Obwohl er sich im Laufe der Jahre von einigen Verspanntheiten löste und lockere Leichtigkeit zu vermitteln versuchte, wurde Berti Vogts, als Privatmensch weder unwitzig noch humorlos, nie der medienwirksame Entertainer, der das Showgeschäft Fußball mit augenzwinkernder Leichtigkeit und Lässigkeit als quotenbringende Unterhaltung rüberbringen konnte. [...] Im Prinzip blieb er sich treu - ehrlich, bodenständig, korrekt, prinzipienfest, jedoch nicht biegsam, nicht angepasst, nicht opportunistisch."
"Die Mannschaft ist der Star"
Nach dem WM-Debakel von 1994 baut er die Mannschaft unter der Parole "Die Mannschaft ist der Star" um: Er schließt Einzelkämpfer wie Lothar Matthäus und Stefan Effenberg aus, und schafft mit Jürgen Klinsmann als Kapitän und Matthias Sammer als "Leitwolf" eine Mannschaft, "deren vornehmster Charakterzug ein enormer innerer Zusammenhalt" war, wie das Fachblatt Kicker 1996 schreibt. Seine Männer holen – mit Glück zwar – aber doch hochverdient den EM-Titel. Vogts empfindet "Freude ..., dass die Nationalmannschaft wieder das Lieblingskind der Deutschen ist. Und den Stolz, es mit dieser Mannschaft geschafft zu haben, die meine Handschrift trägt und meine Arbeit bestätigt hat". Nach der enttäuschend verlaufenen WM 1998 in Frankreich tritt Vogts, wieder heftig im Kreuzfeuer der Medien, als Bundestrainer zurück. Nach Engagements bei Bayer Leverkusen, in Kuwait, Schottland und Nigeria, trainiert er zur Zeit die Nationalmannschaft von Aserbaidschan. Einer Zeitung sagt er, nicht ohne Bitterkeit: "In Deutschland will man mich nicht. Wenn ich als Trainer weitermache, dann nur im Ausland." Und in einem anderen Gespräch: "Wenn ich meinen Sohn nicht hätte, das steht fest, würde ich nicht mehr in Deutschland leben, sondern in Amerika."
Stand: 30.12.2011
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