Fernsehkoch Clemens Wilmenrod in Sessel sitzend (s/w-Foto)

Stichtag

21. Januar 1937 - Erster Auftritt eines Fernsehkochs

Sie hatten doch nichts damals, die Menschen der Vor-Wirtschaftswunderzeit. Vor allem der Hausfrau fehlte es in der Küche an Ideen, um aus dem wenigen, was sie hatte, schmackhafte und möglichst exotische Kreationen zu zaubern. Zu ihrem Glück entdeckt ein Bonvivant mit Menjou-Bärtchen 1953 den kulinarischen Notstand als Karrieresprungbrett: Clemens Wilmenrod aus dem Westerwald, der mollige Urahn aller deutschen Fernsehköche.

Seinem guten Geschmack verdankt die deutsche Küche Delikatessen wie Arabisches Reiterfleisch, Rumtopf und Toast Hawaii. Doch die Ehre des ersten TV-Kochs der Fernsehgeschichte gebührt einem echten Gourmet. Am 21. Januar 1937 eröffnet Marcel Boulestin in der britischen BBC den ersten Bildschirm-Kochkurs. "Cook’s night out" (Die Köchin hat Ausgang) heißt die Sendung, in der der Küchenchef aus Frankreich den Briten allwöchentlich die Feinheiten kultivierten Kochens nahe bringt.

Am Anfang war das Omelette

Maître Marcel ist in England kein Unbekannter. Seit 1925 betreibt er in London ein französisches Restaurant, das teuerste der Stadt. Seine TV-Nachhilfestunden würzt Boulestin mit schonungsloser Kritik an der britischen Esskultur, versüßt nur durch seinen lustigen französischen Akzent. "Das Essen wird serviert, alles läuft prima. Und dann: Nichts! Keiner sagt ein Wort über das Essen, als ob es nicht der Erwähnung wert sei", empört sich der Chef de Cuisine. Um die eingefleischten Liebhaber von Fish ’n’ Chips, Porridge und Plumpudding am Bildschirm nicht zu überfordern, zelebriert Maître Boulestin zur Premiere leicht verständlich die sachgemäße Zubereitung eines Omelettes.

Überhaupt müssen die Zutaten auf seiner Speisekarte stets einfach und preiswert sein. Denn als Kenner der französischen Küche weiß Boulestin, dass sich die wahre Kochkunst aus der Armut entwickelt hat. "Nur wer wenig zu Verfügung hat", belehrt er seine Zuschauer, "entwickelt erst die rechte Kreativität zur Verfeinerung". Zwei Jahre lang strahlt die BBC "Cook’s night out" aus. Da nur wenige Privilegierte bereits über ein TV-Gerät verfügen, bleibt Boulestins Bemühen um die Verfeinerung britischer Kochkunst ohne nachhaltigen Einfluss.

Heute buhlen 29 Kochsendungen um Zuschauer

Boulestins Lob der Einfachheit erweist sich für Clemens Wilmenrod, eigentlich ein völliger Laie am Herd, als Erfolgsrezept. Der mäßig erfolgreiche Schauspieler hat in der Fernsehküche seine wahre Bühne gefunden. Millionen hängen an seinen Lippen, wenn er süffisant über die Köstlichkeit einer mit einer Mandel gefüllten Erdbeere fabuliert. Obwohl Wilmenrod im Gegensatz zum BBC-Vorbild nur als Amateur den Löffel schwingt, prägt er nachhaltig die Essgewohnheiten der Bundesbürger. Erst nach elf Jahren und 185 Folgen des "Kochkurses für eilige Feinschmecker" wird die Sendung abgesetzt.

Nach einem Intermezzo mit dem Schweizer Vico Torriani, der mit gesungenen Kochtipps für internationales Flair sorgt, übernimmt die ZDF-"Drehscheibe" Mitte der 60er Jahre die kulinarische Fortbildung.Später kocht Profikoch Max Inzinger in der "Drehscheibe". Der macht nicht nur den Spruch "Ich hab da mal was vorbereitet" populär, sondern propagiert als Erster die Küchenarbeit als Vergnügen und Freizeitspaß – auch für Männer. Bis zu "Alfredissimo" mit Alfred Biolek ist es da nur noch ein kleiner Schritt - und weitere Nachahmer folgen. Zurzeit buhlen auf sämtlichen Kanälen 29 Koch-Formate um die Gunst von Gourmets und solche, die es werden wollen.

Stand: 21.01.2012

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