Deutsche Spieler mit Pappkronen und angeklebten Schnauzbärten bejubeln WM-Sieg

Stichtag

4. Februar 2007 - Deutschland gewinnt die Handball-Weltmeisterschaft

Sprachlos und mit hängenden Köpfen trotten Deutschlands Handballer aus der Belgrader Halle. Das Halbfinale der EM 2012 in Serbien war fest eingeplant. Doch dann reicht es am 25. Januar im letzten Hauptrunden-Spiel gegen Polen nur zu einer 32:33-Niederlage, die am Ende Platz sieben bedeutet. Auf einen Schlag hat das Team von Bundestrainer Martin Heuberger alles verspielt: seine Chance auf das EM-Finale, die Olympia-Qualifikation für London und die Teilnahme an der WM 2013.

Der deutsche Handball ist in einer tiefen Krise angekommen. Fünf Jahre und eine gefühlte kleine Ewigkeit liegt der letzte große Triumph zurück. Im Endspiel der Weltmeisterschaft 2007 im eigenen Land hieß der Gegner ebenfalls Polen. Damals, in der vor Begeisterung kochenden Kölnarena, gewinnt die deutsche Mannschaft und erringt nach 1938 und 1978 ihre dritte Weltmeisterschaft.

Deutschland erlebt sein Wintermärchen

"Ich habe damit nicht gerechnet", gesteht Heiner Brand, der schnauzbärtige Coach der Deutschen. Immerhin drohte seinem Team bereits nach einer Vorrunden-Pleite gegen Polen das Aus. Doch ein Sieg über Slowenien in der Hauptrunde bringt die Wende. Überall sorgen die Fans in ausverkauften Hallen für grandiose Stimmung und tragen die Brand-Männer von Erfolg zu Erfolg. Eine nie zuvor erlebte Handball-Euphorie erfasst das Land, das nach dem Sommermärchen der Fußball-WM 2006 nun sein Wintermärchen feiert. "Wir sind so nach vorne getragen worden, dass Teile der Mannschaft besser gespielt haben als jemals vorher oder nachher", schwärmt Brand.

Mit einem 29:26-Sieg über Frankreich erreicht Deutschland das Viertelfinale gegen Spanien. Die überfüllte Kölnarena gleicht einem Tollhaus, als das Team um Kapitän Markus Baur den amtierenden Weltmeister mit 27:25 aus dem Turnier wirft. Danach steuert der Mannschaftsbus ein amerikanisches Fast-Food-Restaurant an, wo sich die DHB-Auswahl mit einer Runde Burger belohnt. Zwei Tage später wartet im Halbfinale von Köln erneut Frankreich. In zwei nervenaufreibenden Verlängerungen bringt der zuvor kriselnde Torhüter Henning Fritz den Gegner zur Verzweiflung. Am Ende steht es 32:31 und Deutschland im Finale der Heim-WM.

Triumph der Schnauzbärte

Anders als in der Vorrunde scheint Brands Mannschaft die Polen diesmal zu dominieren. Mit 17:13 geht es in die Halbzeitpause, doch als der wieder überragende Henning Fritz verletzt ausgewechselt werden muss, kommen die Polen zum Entsetzen der 19.000 Fans auf 22:21 heran. Dann wuchtet Pascal "Pommes" Hens den Ball zweimal ins polnische Tor und stabilisiert sein Team. Den Polen geht nun die Luft aus, Deutschland zieht davon und gewinnt das Finale mit 29:24. "Ich musste 36 Jahre alt werden, um das zu erleben. Andere bei uns, die haben die Frechheit und nehmen das mit 23 schon mit. Das ist eigentlich eine Unverschämtheit", "beschwert" sich überglücklich Kapitän Markus Baur.

"Wenn nicht jetzt, wann dann", singen die Höhner in ihrer WM-Hymne, als die Spieler im goldenen Konfettiregen ihren Bundestrainer hochleben lassen. Alle tragen Pappkrönchen und auf wundersame Weise ist ihnen plötzlich ein typischer Brand-Schnäuzer gewachsen; eine Hommage an das Handball-Urgestein aus Gummersbach, dem sie alle den Höhepunkt ihrer Karriere verdanken. Der Sieg an diesem 4. Februar 2007 macht Heiner Brand zum einzigen Sportler nach Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer und zum einzigen Handballer überhaupt, der als Spieler und als Trainer Weltmeister wurde.

Stand: 04.02.2012

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