Luftaufnahme des unter Wasser stehenden Hamburger Stadtteils Neuenfelde am 18.02.1962.

Stichtag

16. Februar 1962 - Sturmflut an der Nordseeküste

Am 16. Februar 1962 liegt die elfjährige Helga Rostowski mit ihren drei Schwestern abends friedlich schlafend in ihrem Haus im Hamburger Stadtteil Georgswerder südlich der Elbe. Da werfen Nachbarn Steine ans Fenster. Als die vier Kinder aufstehen und nachschauen wollen warum, ist es ungefähr ein Uhr. Da "haben wir schon mit den Füßen im Wasser gestanden", wird sich Helga Rostowski später erinnern. "Dann hieß es einfach ganz schnell anziehen und raus."

Vater Rostowski packt die Kinder auf den Schrank, aber das Wasser steigt und steigt. Dann bringt er die vier Mädchen aufs Dach des Hauses, wo sie fünf Stunden bei klirrender Kälte auf die ersehnte Rettung per Helikopter warten müssen. Die Mutter muss noch bis zum Vormittag auf einem Schrank im Wasser stehen und holt sich dabei einen Nierenschaden.

Hilfseinsatz der Bundeswehr

Schuld an der Überflutung Hamburgs hat Tief Vincinette. Die "Siegreiche" bringt Orkanböen der Windstärke 12 und peitscht einen Sturm aus Nordwest über die deutsche Nordseeküste. So steigt das Wasser an der Küste, auf den Inseln und in den Flüssen unaufhörlich an. Ein technischer Defekt in Cuxhaven verhindert zudem, dass die erhöhten Pegelstände rechtzeitig bemerkt werden. Als die Störung behoben ist, ist es schon zu spät für Präventivmaßnahmen. 200 Millionen Kubikmeter Wasser ergießen sich nahezu ungehindert ins Hamburger Stadtgebiet. Rund ein Fünftel der Stadtfläche wird überschwemmt.

Auch sonst passieren Pannen. Der zuständige Innensenator und spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) wird nach seiner Rückkehr von einer Dienstreise zunächst nicht informiert. Als er von der Katastrophe erfährt, lässt er umgehend seine Beziehungen zur militärischen Führung der Bundeswehr spielen und bittet telefonisch um Hilfe. Obwohl die Bundeswehr laut Grundgesetz eigentlich nicht eingreifen darf, werden Boote, Hubschrauber und Hilfstruppen in die betroffenen Gebiete entsandt. In einer konzertierten Aktion mit Technischem Hilfswerk, Feuerwehr und Deutschem Rotem Kreuz gelingt es den Soldaten, die meisten Menschen zu retten.   

1976 bleibt Hamburg trocken

Insgesamt sterben bei der Sturmflut 1962 in Hamburg über 300 Menschen – allein im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg sind es 200. Tausende werden obdachlos. Der Gesamtschaden wird auf umgerechnet mehr als 400 Millionen Euro geschätzt. Die Bedrohung bleibt noch für Monate bestehen, denn die Deiche sind noch lange offen. "Man musste für möglich halten", sagt Helmut Schmidt später, "dass es eine ähnliche Flut wieder geben könnte".

Zum Glück bleibt genügend Zeit, um die Schutzanlagen umfangreich zu erneuern. Die nächste Bewährungsprobe folgt schon 14 Jahre später, als der Pegel 75 Zentimeter über den von 1962 steigt. Aber 1976 halten die Deiche und Wälle: Hamburg bleibt trocken.

Stand: 16.02.2012

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